Sterben in Würde: Für manche unheilbar kranken Menschen bedeutet das, ihren Todeszeitpunkt selbst wählen zu können. Die krebskranke US-Amerikanerin Brittany Maynard hat das nun getan. Für den Palliativmediziner Johann Zoidl bleibt die Würde eines Menschen erhalten, „auch wenn er hilfsbedürftig ist.“
Werden Sie als Leiter der Palliativstation St. Louise oft mit dem Wunsch nach aktiver Sterbehilfe, die in Österreich verboten ist, konfrontiert? Dr. Johann Zoidl: Nicht oft, aber gelegentlich. Der häufigste Grund von unheilbar kranken Menschen, sterben zu wollen, hat aus meiner Erfahrung damit zu tun, dass sie ihre Angehörigen nicht belasten möchten. Wenn sie sich nicht mehr selber versorgen können, nicht mehr selber auf die Toilette gehen können, gewindelt und gefüttert werden müssen, dann ist das für viele ein katastrophaler Würdeverlust. Hier ist es wichtig mit den Menschen über ihre Ängste, Wünsche und Bedürfnisse zu sprechen, sie ernst zu nehmen, ihnen zur Seite zu stehen. So kann man immer wieder Wege eröffnen und darauf hinweisen, es geht auch um den Wert des Lebens unter diesen Umständen und es ist möglich ein Leben zu gestalten mit der Unterstützung und Betreuung in unserem palliativen Umfeld. Da darf ich sein, so wie ich bin; es wird nichts von mir verlangt. Und das hat für mich zugleich mit der Würde eines Menschen zu tun, die erhalten bleibt, auch wenn er seine Mobilität verliert.
Ein wesentlicher Teil der palliativen Betreuung ist, das soziale familiäre Umfeld der Patienten mit einzubeziehen ... Dr. Johann Zoidl: Ja, hier sind wir Moderatoren im Gespräch, damit Dinge geklärt werden, die anfallen. Da kommen Angelegenheiten zur Sprache, die vorher hinausgeschoben und zurückgestellt wurden, an die man nicht dachte. Angehörige drücken dann oft ihre Dankbarkeit aus und sagen: „Du warst das ganze Leben für uns da; bitte lass es zu, das wir jetzt für dich da sein können.“
Gibt es auch Fälle, wo die Palliativmedizin an ihre Grenzen stößt? Dr. Johann Zoidl: Im Extremfall haben wir heute die Möglichkeit der Palliativen Sedierung, um unerträgliches Leid, unerträgliche Schmerzen, Angst oder Atemnot von schwerkranken Menschen zu lindern – in Absprache mit dem Patienten, mit seinem Umfeld und mit dem eigenen Behandlungsteam. Es gibt dabei genaue Grundregeln der europäischen Organisation für Palliative Care (EAPC), die eingehalten werden müssen. Die palliative Sedierung fällt in den Bereich der indirekten aktiven Sterbehilfe, eine oft missverständliche Terminologie, d. h. wir dürfen Symptome behandeln mit Schmerz- und Beruhigungsmitteln, ohne dabei in der Absicht zu handeln, das Leben des Patienten zu verkürzen. Das ist ethisch und rechtlich erlaubt.
Im Parlament findet derzeit eine Enquete zum Thema „Würde am Ende des Lebens“ statt. Dabei steht u. a. zur Debatte, ob in Österreich das Verbot der aktiven Sterbehilfe in der Verfassung verankert werden soll. Was halten Sie davon? Dr. Johann Zoidl: Ich denke, dass die derzeitigen Gesetze das ganz klar regeln. Eine zusätzliche Verankerung des Verbotes der aktiven Sterbehilfe in der Verfassung braucht es meiner Meinung nach nicht, denn dadurch würden die Diskussionen zu diesem Thema nicht aufhören. Viel wichtiger ist, dass unheilbar kranke und sterbende Menschen in diesen Notsituationen in der Palliativmedizin auch künftig die entsprechende Hilfe, Betreuung, Begleitung und Unterstützung bekommen können. Dazu braucht es einen weiteren Ausbau des Hospiz- und Palliativwesens. Ein notwendiger Faktor für mich wäre dabei, die Palliativmedizin nicht getrennt vom Gesundheitssystem zu sehen, sondern als Teil dessen.
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