Drei Autor/innen mit ihren neuen Werken stellt Maria Fellinger-Hauer in der Literatur-Reihe der KirchenZeitung vor: Karl-Markus Gauß, Lucia Leidenfrost und Thomas Sautner.
Ausgabe: 2017/25
20.06.2017
- Maria Fellinger-Hauer
Zwanzig Lewa oder tot
Vier Reisen in Osteuropäische Länder aus den Jahren 2013 bis 2015 beschreibt Karl-Markus Gauß auf bewährte und immer wieder beeindruckende Weise in seinem jüngsten Buch. In der Republik Moldau – landläufig bei uns immer noch Moldawien genannt –, dem ärmsten Land Europas, hat er sich mit der „moldawischen Sehnsucht“ infiziert, der Sympathie für Land und Leute. In der Vojvodina, einst ein Europa im Kleinen, begibt er sich auf die Spur seiner donauschwäbischen Mutter und trifft dort auf Orte, an denen er noch nie war und die er aus Erzählungen aus der Kindheit ganz genau wiedererkennt. In Bulgarien lernt er ein anderes Land kennen als jenes, von dem uns immer wieder schlechte politische Nachrichten erreichen. Und in Zagreb entdeckt er das Wechselspiel von Erinnern und Vergessen, das die nationale Kultur von Kroatien heute prägt. Gauß vereint in bewährter Manier Reportage, Geschichtskenntnis und Autobiografisches zu faszinierender Reiseliteratur, die Lust macht, sich auch einmal auf den Weg Richtung Osteuropa zu begeben.
Karl-Markus Gauß, Zwanzig Lewa oder tot. Vier Reisen, Zsolnay, Wien 2017. ISBN 978-3552058231.
Mir ist die Zunge so schwer
„Pass auf, wenn ich dir eine Geschichte erzähl, es könnte eine meiner letzten sein. Nur von den Alten kann man lernen. Denn der Hollunder blüht nur dann, wenn dich die Brennnesseln schon gestochen haben. …“ Das könnte das Motto der achtzehn Kurzgeschichten der jungen Autorin sein. In den zum Teil sehr berührenden Geschichten kommen Menschen zu Wort, die Zeit ihres Lebens versäumt haben, zu sprechen. Täter und Opfer, Einsame, Missverstandene und Trauernde, die erst in hohem Alter ihre Erinnerung ans Licht bringen. Sie sprechen von Geheimnissen, Fehlern und Missverständnissen, von verlorenen Lieben, von Kriegserfahrungen und Schuld.
Ganz erstaunlich, mit welch großem Einfühlungsvermögen die 1990 in Frankenmarkt geborene Autorin sich in die Generation ihrer Großeltern versetzen kann und auch sprachlich den Ton sehr genau trifft.
Lucia Leidenfrost, Mir ist die Zunge so schwer, Kremayr & Scheriau 2017, ISBN 978-3218010696.
Das Mädchen an der Grenze
Was ist Traum, was Illusion? Lebt der Mensch oder wird er gelebt? Wohin leitet der Verstand? Was vermag die Liebe? Metaphysische Themen spielen in fast allen Büchern Thomas Sautners eine wichtige Rolle. Sein neuer Roman ist eine weitere Variante, die vor allem durch seine eindringliche Sprache Leser/innen in seinen Bann zieht. Die Geschichte spielt 1989, dem Jahr, in dem der Eiserne Vorhang fällt und die Welt sich – nicht nur für die Menschen an der Grenze – verändert. Das Mädchen Malina, das mit seiner Familie in einem alten Zollhaus lebt, liegt krank im Bett. Sie nimmt Dinge wahr, die sonst niemand erkennen kann. Sie lebt in einer Welt, in die andere nicht vordringen. Jenseits der Grenze begegnet sie nicht nur einem General, sondern wird von einer Reihe geheimnisvoller Wesen begleitet, die ihr von menschlichen Tugenden erzählen, auf die es ankommt.
Thomas Sautner, Das Mädchen an der Grenze, Picus Verlag, Wien 2017, ISBN 978-3711720474.