Im bisherigen Teil der Bibel-Reihe ging es um die Bibel, die Jesus kannte: das Alte Testament. Ein ganzes Jahr lang werden nun am Sonntag die Evangelien nach Markus verkündet. Eine kurze Einführung soll die besonderen Anliegen dieses Evangelisten eröffnen.
Aus der Serie "Das Alte Testament – Die Bibel Jesu", Teil 5 von 5, Das Markusevangelium.
Das Markus-Evangelium ist das älteste der vier Evangelien. Es wurde um 70 nach Christi Geburt aufgeschrieben. Der Autor ist uns nicht näher bekannt und tritt ganz hinter das Werk zurück. Er erzählt uns kaum etwas über sich selbst, sondern weist auf eine andere Autorität hin, nämlich auf Petrus. Genau genommen dreht sich in der ganzen Schrift aber alles um Jesus Christus, den Sohn Gottes, wie es gleich im allerersten Vers ausdrücklich heißt.
Jesus Christus, Gottes Sohn
Der Sohn-Gottes-Titel durchzieht das ganze Werk und erscheint an ganz zentralen Stellen, neben Mk 1,1 auch in 1,11; 3,11; 5,7; 9,7; 12,6; 14,61 und schließlich noch in 15,39 als eine Klammer zu 1,1.11: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.“ Zu diesem Bekenntnis lädt Markus die Leserinnen und Leser seines Evangeliums ein. Und dieses Bekenntnis kommt nicht von Petrus oder einem anderen Jünger, sondern ausgerechnet von einem Heiden. Markus will damit in besonderer Weise die Nichtjuden zum Bekenntnis und zur Nachfolge motivieren.
Reich-Gottes-Verkündigung
Eine große Rolle im Wirken Jesu spielt die Reich-Gottes-Verkündigung: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist da“ (so wörtlich in 1,15). Der Anbruch bzw. die direkte Nähe des Gottesreiches ist so zu verstehen, dass dieses Reich schon jetzt, im Wirken Jesu, präsent ist. Die Zukunft bestimmt die Gegenwart. Das in der Zukunft Vollendete ist bereits in der Gegenwart anteilhaft erfahrbar, wie die Dämonenaustreibungen und Heilungswunder Jesu deutlich zeigen.
Die menschliche Seite Jesu
Wenn Jesus für Markus zweifelsfrei der Sohn Gottes ist, so zeigt er zugleich – wie kein anderer – besonders die menschliche Seite Jesu. Das macht das Markus-Evangelium so sympathisch – und eröffnet für viele einen einladenden Zugang zu Jesus. Jesus wirkt zunächst in Galiläa (um den See Gennesaret: Mk 1–9) und im zweiten großen Teil dann in Jerusalem. Dort stirbt Jesus, und dort wird „nach drei Tagen“ von seiner Auferweckung erzählt.
Zurück an den Anfang
Mit der Erzählung vom leeren Grab bringt Markus eine große Dynamik in sein Evangelium. Der mit einem weißen Gewand bekleidete junge Mann sagt den Frauen, die den Leichnam Jesu suchen: „Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen“ (16,7). Damit wird ganz am Schluss das Programm für alle, die Jesus nachfolgen, genannt: Wer Jesus begegnen will, wird eingeladen, noch einmal ganz von vorne zu lesen zu beginnen und so nochmals Jesus zu folgen auf dem Weg von Galiläa bis nach Jerusalem und von dort erneut „zurück“ nach Galiläa.
Jüngerschaft damals – und heute
Die Jünger bilden somit eine schöne Klammer: Am Beginn des Wirkens Jesu werden sie berufen (1,16–20), im letzten Abschnitt des Evangeliums erhalten sie einen Auftrag (16,7). Einerseits werden sie besonders ausgezeichnet, andererseits sind sie unverständig und unfähig, die Bedeutung Jesu zu begreifen. Dieser Jünger-Unverstand lenkt den Blick auf das Kreuz: Echte Jüngerschaft umfasst das Bekenntnis zum Gekreuzigten und hat – auch – mit der Kreuzesnachfolge zu tun. Was es mit dem Kreuz „wirklich“ auf sich hat, kann nur begreifen, wer Jesus nachfolgt. Das ist die Absicht des ganzen Evangeliums: Markus will zur Nachfolge einladen und motivieren.
Aus der Serie "Das Markusevangelium" von Dr. Franz Kogler, Leiter des Bibelwerks Linz, Teil 5 von 5