Kommunion auch für wiederverheiratete Geschiedene?
Die Frage, ob man wiederverheirateten Geschiedenen unter Bedingungen den Empfang der Kommunion offiziell gestattet, ist in der Öffentlichkeit zum am meisten beachteten Punkt der Herbst-Familiensynode in Rom geworden. Wir haben zwei Vertreter unterschiedlicher Sichtweisen um ihre Stellungnahme gebeten.
Ausgabe: 20145/24, geschiedene Wiederverheiratete, Kommunion, Pro und Contra, Prader, Niewiadomski
09.06.2015 - Dr. Helmut Prader, Univ.-Prof. Dr. Józef Niewiadomski
Nur die Wahrheit wird uns frei machen ...
Die Heilige Schrift lehrt uns, dass die Einheit von Mann und Frau in der Ehe ein Abbild der Bundestreue Gottes zu uns Menschen ist. Die Kirche kann sich nicht von dem lossagen, was ihr in der Heiligen Schrift, speziell in den Evangelien, anvertraut worden ist. Wenn Jesus sagt, dass ein Mann, der seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, Ehebruch begeht (z. B. Mk 10, 1–12), dann dürfen wir das nicht ignorieren. Es ist zu unterscheiden zwischen subjektiver Schuld (über die wir nicht urteilen können, brauchen und dürfen) und dem objektiven Band, das durch die Eheschließung entsteht. Was Gott verbunden hat, das kann der Mensch nicht trennen. Wenn daher jemand objektiv im Ehebruch lebt, ist das im Widerspruch zu dem, was Christus gesagt hat. Es gibt Situationen, wo eine Trennung unausweichlich und auch geboten ist. Das Problem entsteht aber erst dann, wenn ein Geschiedener wieder staatlich heiratet. Dennoch bleibt aber das Band bestehen, „bis der Tod sie scheidet“. Wir müssen uns auch eingestehen, dass wir nicht für jedes Problem eine Lösung haben, sondern dass auch schwierige Situationen ausgehalten werden müssen und die gesamte Kirche mit den Betroffenen mitleidet. Großes Ärgernis und viel Verwirrung erzeugen die Segnungsfeiern für Geschiede – Wiederverheiratete, die noch dazu ausdrücklich verboten sind (Familiaris consortio 84). Benedicere – segnen, heißt übersetzt „gut-heißen“. Was Christus als Ehebruch bezeichnet hat, kann nicht gesegnet werden.
Verzicht
Eine Wiederverheiratung ist klar im Widerspruch zur Weisung Gottes. Die Zulassung zu den Sakramenten würde bedeuten, dass die Kirche die Unauflöslichkeit der Ehe aufgeben würde. Damit können wir uns allerdings nicht mehr auf die Weisung Jesu berufen. Unbarmherzigkeit hat Jesus gerade denen vorgeworfen, die eine Scheidungsurkunde ausgestellt haben. Ich bin überzeugt, dass sich die Liebe zu Christus mehr dadurch zeigt, dass man nichts ertrotzt oder erzwingt, sondern dass man bewusst aus Liebe zu Christus auf den Kommunionempfang verzichtet. Und Gott kennt keine Grenzen. ER kann gerade diesen Verzicht zu einem Segen werden lassen.
Dr. Helmut Prader
Für die Beseitigung des Schildes „Kein Zugang“
Sie können schon jetzt zur Kommunion zugelassen werden. Wenn sie auf Sex verzichten! So lautet der von Johannes Paul II. offen gelassene Spalt in der Tür mit dem großen Schild: „Kein Zugang“. Neben dem Urteil, die gescheiterte Ehe sei nicht zustande gekommen (Annulierung), ist es die sog. „Josefsehe“, die den Wiederverheirateten den Kommunionsempfang möglich macht. Der kleine Spalt gibt auch den Blick auf den ganzen Abgrund frei, der die gegenwärtige Diskussion zum Positionskrieg verwandelt. Und das Sakrament der Ehe den Paaren von morgen „fremder als den Mond“ werden lässt! Nicht der Kommunionsempfang wird ja morgen noch das dringende Problem sein, sondern eine von der Realität losgelöste Doktrin. Damit Sakramente auch morgen die Lebenswirklichkeit heilen, muss der Abgrund zugeschüttet werden.
Pfade in den Abgrund
Der erste Pfad in den Abgrund besteht im Glauben, dass einzig die sakramental gültige Ehe die gelebte Sexualität rechtfertigt. Die Wiederheirat schafft zwar einen Zustand des „hartnäckigen Verharrens“ in einer falschen Lebensgemeinschaft, durch ihre Enthaltsamkeit entgehen aber die Betroffenen dem Schicksal der „öffentlichen Sünder“, das sie von der Kommunion ausschließt. Diese Logik zementiert nicht nur das problematische Verständnis der Sexualität, sie degradiert Sakramente zu Erziehungsmittel in Sachen Moral. Der zweite Pfad in den Abgrund besteht im Glauben, dass sakramentale Gemeinschaften nicht scheitern können. Scheitern sie, so wird das Scheitern unter Umständen wegerklärt, indem die Ehe annulliert wird. Ansonsten kann es nur noch einseitig den Betroffenen zur Last gelegt werden. Sie werden bestraft. Und ausgegrenzt: als Sündenböcke baden sie die Folgen einer am Leben der Menschen von heute vorbei konzipierten Ehetheologie aus. Als Dogmatiker bete ich, der Heilige Geist möge die Synodenväter erleuchten und ihnen den Mut schenken sich der Wirklichkeit zu stellen, diese nicht bloß „gesundzubeten”, sondern den Anstoß zur Entwicklung einer Theologie der Ehe, die das offensichtliche Scheitern ernst nimmt, zu wagen. Die Begleitung jener, die scheitern und die Beseitigung des Schildes „Kein Zugang“ wären bloß die ersten Schritte dorthin.
Univ.-Prof. Dr. Józef Niewiadomski