In Linz diskutierten Experten auf Einladung der Kirche die aktuellen Veränderungen in der Arbeitswelt. Einen offenen und zielgerichteten Dialog will die Kirche über die Zukunft des Landes führen, um so einen ethischen Grundkonsens in den zentralen gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit zu fördern oder zurückzugewinnen, wo er bereits verloren ist. Diese Absicht bekräftigte Diözesanbischof Maximilian Aichern am 3. September bei einer Fachtagung im Rahmen des „Dialogs für Österreich“, die im Betriebsseminar in Linz stattfand.Wichtig wäre vor allem die Balance zwischen der ethischen Kraft aus der Religion, der gestaltenden Politik und der Berücksichtigung der Sachgesetzlichkeiten der Wirtschaft. Gehe diese Balance verloren, wäre ein gefährlicher Weg in eine neue Knechtschaft die Folge. Rund 60 Personen, aus Politik, Arbeitnehmervertretung, Sozialeinrichtungen und Kirche nahmen an dem Expertengespräch in Linz teil. Zu Unrecht fühlten sich große Teile der Wirtschaft von der Kirche kritisiert, betonte etwa Mag. Christian Bayreder als Wirtschaftsvertreter. Man dürfe Gewinne in der Wirtschaft nicht verteufeln, die Frage wäre allerdings die ethische Grenze des Gewinns. Andreas Gjecaj von der steirischen Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung sieht die von Bischof Aichern angesprochene Balance weithin verloren: Der Markt werde fast zur theologischen Größe erhoben und gelte als unanfechtbar, Marktgläubigkeit dominiere das Leben.Von einer einzigartigen Situation in der Menschheitsgeschichte sprach der Vertreter der Arbeiterkammer, Mag. Franz Molterer. Noch nie wäre soviel Wirtschaft in wenigen Händen konzentriert gewesen, noch nie wären so große Firmenkomplexe fusioniert. Noch nie wäre so wenig greifbar gewesen, wer eigentlich hinter allem steht. Die Frage nach einem Menschenbild stelle sich von da her neu.Am unteren Ende dieser Vorgänge leben Betroffene: Arbeitslose, Notstandsbezieher. Oder jene Frau, von der Hans Riedler, Geschäftsführer der Bischöflichen Arbeitslosenstiftung in Oberösterreich, erzählte: Ihr wurde die Notstandshilfe für 6 Wochen aberkannt, weil sie einen angebotenen Arbeitsplatz nicht angenommen hatte. Sie hätte ihr Kind schon vor 6.15 Uhr im Kindergarten abgeben müssen, dieser sperre aber erst um 6.30 Uhr auf. Die Frau gehört zu den rund fünf Prozent der Österreicher/innen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Eine sehr niedrige Zahl ist das im europäischen Vergleich, meint Landesrat Dr. Christoph Leitl. Gerade auf die Problemlagen dieser Menschen müsse man viel mehr eingehen, sagen Leute der Stellen, die täglich mit solchen Problemen zu tun haben.Die Tagung in Linz zeichnete den langen Faden nach, der die Situation dieser Menschen - junge Arbeitslose, Odachlose usw. – mit der Welt jener verbindet, die sich den Regeln von Wirtschaft und Arbeitsmarkt entzogen haben: den Superreichen, die nicht Menschen, sondern das Geld selbst für sich arbeiten lassen.