Beim Literaturwettbewerb „50 Jahre Menschenrechte“ erreichte der Welser Schüler Bernhard Baumgartner (6.A, BG Brucknerstr.) mit dem (hier gekürzt abgedruckten) Text den 3. Preis.Müde und atemlos kämpft er sich durch das Gebüsch. Sein Herz schlägt wild, und seine Füße tun ihm weh. Schon den ganzen Tag ist er gelaufen. Es wird Abend. Er sucht ein Versteck im Busch. Er will schlafen, aber statt dessen kommen immer wieder die Erinnerungen an den letzten Tag. Zuviel ist passiert, zuviel Schreckliches hat er erlebt.Vor seinen Augen tauchen immer wieder Bilder auf: Er sitzt zu Hause in seinem afrikanischen Dorf. Auf einmal, um die Mittagszeit, kommt ein Kommando des Militärs ins Dorf. Die Soldaten sind schwer bewaffnet, und schießen wild umher. Er erinnert sich an die Panik, die dann ausgebrochen ist. An das Schreien von Frauen, Männern und Kindern im Dorf. Sie suchen Schutz in den Häusern, auch er und seine Familie. Die Soldaten haben aufgehört zu schießen und stellen sich am leergefegten Dorfplatz auf. Sie schreien: „Tutsis, auch ihr bleibt nicht übrig! Wir rächen uns!“ Dann beginnen sie in die Häuser einzudringen. Er hört den Lärm aus den Häusern. In den fünfzehn Jahren, in denen er hier im Dorf lebt, hatte er niemals solche Angst wie jetzt. Seine Mutter will ihn beruhigen. Sie sagt zu ihm: „Sembene! Bleib ruhig! Wir werden davonkommen, es wird alles gut.“ Auch sein Vater redet ihm und den Geschwistern gut zu. Vergeblich.Sembene hält es nicht länger aus. Durch eine Öffnung an der Hinterseite des Hauses schlüpft er ins Freie, und er läuft dem Wald zu. Die Mutter weint. Sie weiß, daß sie ihn wahrscheinlich nicht mehr wiedersehen wird. Sie hört Schüsse.Denn als die Soldaten Sembene sehen, schiessen sie auf ihn. Doch er hat großes Glück. Er erreicht den Wald. Zwei Soldaten laufen ihm nach. Den Busch rings um das Dorf kennt Sembene bis ins kleinste Detail. Er kennt jeden Pfad, jedes Versteck, und so gelingt es ihm, den Soldaten zu entkommen. Bis hierher dringen die Schreie der Menschen aus dem Dorf. Es fallen immer wieder Schüsse. Die Soldaten stürmen in jedes Haus, sie plündern und rauben, und sie mißhandeln oder ermorden die Bewohner. Alt und Jung, Mann und Frau.Auch einige andere Bewohner haben es geschafft, in den Busch zu flüchten und hier Schutz zu suchen. Die Soldaten haben nun alle Häuser geplündert und verwüstet. Es liegen Tote und Schwerverletzte am Boden. Nun zünden sie das Dorf an und brennen alles nieder, dann beginnen sie den Wald zu durchsuchen.Sembene weiß, daß er wieder davonlaufen muß. Er weiß, daß sie ihn sonst finden. Er weiß, daß er hier alles verloren hat, sein Zuhause, seine Familie, seine Freunde. Er kriecht aus seinem Versteck und läuft weiter in den Wald hinein. Hinter sich hört er immer wieder Schüsse und Schreie. Aber er ist nicht in Panik, er hat keine Angst. Zu schwer war der Schock der letzten Stunden. Völlig automatisch läuft er welter. Immer tiefer in den Wald hinein. Stundenlang läuft er dahin. Die Beine beginnen weh zu tun, er verspürt ein Hungergefühl. Er setzt sich nieder und rastet sich kurz aus. Schön langsam beginnt er zu realisieren was geschehen ist. Er ist verzweifelt. Er weiß nur, daß er weiter in den Wald hinein muß. Er weiß nicht einmal mehr genau, wo er ist. Diesen Teil des Waldes kennt er nicht.Er steht auf, müde, hungrig, verzweifelt. Er setzt wieder Fuß vor Fuß. Es muß wohl früher Abend sein. Den Hunger versucht er mit eßbaren Früchten zu stillen, die er im Vorbeigehen abreißt. Auch Durst verspürt er und nirgendwo Wasser, das er hätte trinken können. Er läuft immer weiter, bis zum späten Abend.Da liegt er nun in seinem Versteck am Waldboden. Müde und hungrig. Die Bilder des letzten Tages kommen immer wieder. Diesen Tag wird er nie mehr vergessen. Er blickt einer ungewissen Zukunft entgegen. Wo soll er hin? Wo ist er überhaupt? Was soll er tun? Eine Frage kreist besonders immer wieder in seinem Kopf herum: Werden sie mich finden, und was werden sie dann mit mir tun? Werden sie mich töten? Oder werden sie mich verhaften, foltern und quälen? Keine Ahnung, was aus seiner Familie geworden ist. Hat jemand überlebt? Er weiß es nicht. Und irgendwann schläft er über seinen Gedanken ein, unschuldig verfolgt und gejagt, um am nächsten Morgen seine Flucht ins Ungewisse fortzusetzen.