Tankstelle, Kirche und Supermarkt. Eine Pfarr mit zwei Kirchen.
Ausgabe: 1999/24, Steinerkirchen a. I.
15.06.1999 - Matthäus Fellinger
Der Markt Kematen ist zwar der größere der beiden Orte. Doch Steinerkirchen gibt der Pfarre bis heute den Namen.
„Glauben’s daß Sie den Pfarrer jetzt d’erwischen?“ äußert sich die Frau an der Tankstellenkasse skeptisch, während sie das Wechselgeld aus der Lade zählt. Noch einen Pfarrer „erwischt“ zu haben betrachten die Christen der Pfarre Steinerkirchen am Innbach als Jahrhundert-Glücksfall. Tankstelle, Kirche, Supermarkt. In dieser Reihenfolge stehen die Gebäude entlang der Straße in Kematen am Innbach. Drei wichtige Versorgungsstellen, Tankstellen im unterschiedlichen Sinn eben. Das Geschäft an der Tankstelle geht im frühabendlichen Berufsverkehr recht gut. Aber wie steht es um die Kirche? Die Kirche zwischen den beiden Versorgungseinrichtungen in Kematen am Innbach war nie Hauptkirche der Pfarre Steinerkirchen. Obwohl Kematen seit langem Steinerkirchen an Größe und Bevölkerungszahl überholt hat, ist die Kirche von Kematen bis heute Filialkirche geblieben. Die Hauptkirche befindet sich zwei Kilometer entfernt in Steinerkirchen selbst. Das ältere, bäuerlich geprägte Steinerkirchen stand mit dem bürgerlichen Kematen immer in einem Konkurrenzkampf. „Maria Rast“ weist das Schild den Weg zur Hauptkirche in Steinerkirchen. Der Name läßt heute weniger an Rasten als an Rasen denken, denn unmittelbar an Kirche und Ort vorbei führt die Innkreisautobahn. Sie ermöglicht vielen Leuten aus Kematen den schnellen Weg zu den Arbeitsplätzen in Wels. Grundstücke in Kematen sind daher heute sehr gefragt.
Pfarrheim in Selbstverwaltung
Auf ihr 1994 eingeweihtes Pfarrheim sind die Steinerkirchner stolz. Daß man auch eine Pfarrerwohnung vorgesehen hat, war mit ein Grund, daß wieder ein Pfarrer hergekommen ist. Das Heim wird in Selbstverwaltung geführt. In regelmäßigen Abständen sind jeweils zwei Personen für den Betrieb zuständig, im wesentlichen wechseln sich dabei die Pfarrgemeinderäte ab. Bei ihnen meldet man sich an, wenn man das Pfarrheim braucht, sie kümmern sich auch um die Ordnung im Heim. Eine Tafel vor dem Eingang gibt Auskunft, an wen man sich wenden muß.
Wie ein Priester eine Pfarre prägte
Vor zehn Jahren starb Pfarrer Heinrich Steiner. In der Erinnerung vieler ist er noch heute lebendig.
Ein altes Steyrer Waffenrad, eine abgenutzte Ledertasche, drei Hüte. Die Sachen vom Pfarrer sind noch da. Gestern hat man im Pfarrheim den zehnten Todestag von Pfarrer Heinrich Steiner gefeiert. Auch jener Linolschnitt der Dachauer Madonna ist da, den Steiner aus dem Konzentrationslager Dachau mit heimgebracht hat. Kaum ein Geistlicher in Oberösterreich hat einen Ort so nachhaltig geprägt wie Heinrich Steiner. In seiner ungeheuren Einfachheit und Bescheidenheit hat er Zugang zu allen Menschen gefunden. Niemandem, erzählt man noch heute, hat er etwas nachgetragen, auch denen nicht, die ihn angeschwärzt haben, sodaß er ins Konzentrationslager kam. August Nimmerfall wohnt mit seiner Familie erst seit acht Jahren in Steinerkirchen. Persönlich hat er den Pfarrer nicht mehr gekannt. Aus den Erzählungen weiß er von ihm und ist ebenso beeindruckt. „Er ist für Steinerkirchen zu einer Ikone geworden.“ Das Ehepaar Hans und Hilde Kronsteiner, er war lange Pfarrgemeinderatsobmann, hat ebenfalls eine tiefe Beziehung zum Pfarrer aufrechterhalten. In dessen Sterbestunde waren sie dabei, und sie haben seinen Hauptimpuls – zu beten – bis heute im Herzen bewahrt.
Eine Zeit der Prüfung
Nach Pfarrer Steiners Tod kam für die Pfarre Steinerkirchen eine Zeit der Prüfung, eine Art Dürreperiode. In der unsicheren pastoralen Situation mit wechselnden seelsorglichen Zuständigkeiten hat die Pfarre vor allem „vom Erbe“ gelebt und von Leuten wie die Kronsteiners, die im Sinne dieses Erbes weitergearbeitet haben. Eines der „Erbstücke“ ist die monatliche Fatimafeier in Steinerkirchen. Zwischen Mai und Oktober am 13. des Monats, im August am 15., kommen viele zu dieser Feier. Jetzt ist August Nimmerfall Pfarrgemeinderatsobmann. Und seit Februar ist ein neuer Pfarrer da: Konrad Waldhör, früher Heeres-Seelsorger, hat nach seiner Pensionierung als Militärgeistlicher Steinerkirchen übernommen. Bekannt war Waldhör in der Diözese auch als ein Priester der Erneuerungsbewegung. Hier in Steinerkirchen möchte er zunächst eines: den Menschen möglichst nahekommen. „Ich möchte in meinem Leben nichts mehr auf die Beine stellen, denn dabei kann man sehr leicht auch etwas kaputtmachen.“ So ist es ihm ein Hauptanliegen, die Menschen „nicht nur vom Sonntagsgewand, sondern auch vom Stallgewand“, also im Alltag kennenzulernen. „Der Pfarrer darf in einer Pfarre nicht der wichtigste sein“, meint Waldhör. Vom Erbe allein kann man nicht ewig leben. Für Kinder und Jugendliche ist freilich eine andere Zeit angebrochen. Auch in Steinerkirchen und Kematen braucht es einen neuen Brückenschlag zur Jugend. In der frühen Sonntags-Gottesdienstzeit um 8.30 Uhr sieht Pfarrer Waldhör einen der Gründe, warum Jugendliche fernbleiben. Für die Mehrzahl der Leute „paßt“ jedoch diese Zeit. Also überlegt der Pfarrer, für die Jugend ein zusätzliches Angebot zu schaffen, sodaß sie allmählich auch zur Eucharistie hingeführt werden können.Eine kleine Pfarre nur, und trotzdem ein ganz stattlicher Chor. Das ist das Verdienst der Volksschuldirektorin Christine Kirchmair. Auch der Pfarrer ist übrigens Mitglied beim Chor. Vor einem Jahr stand Christine Kirchmair vor einem Problem: Nach dem plötzlichen tragischen Tod eines Mannes gab es nur mehr eine Baßstimme. Aber dann haben sich drei junge Männer gefunden, sodaß auch beim Baß wieder alles stimmt.
Steckbrief
Auf das Stammwappen der Pollheimer weist das rot-weiß-gestreifte Gemeindewappen von Kematen am Innbach hin. Der Buchstabe „G“ im Herz verweist auf den Namen Gundakers, der im Jahr 1620 die Markterhebung von Kaiser Ferdinand II. erwirkte.Der Markt Kematen überflügelte schließlich das ältere Steinerkirchen. In der Gemeinde Kematen leben heute 1.205 Menschen. Die Pfarre, die den Namen von Steinerkirchen beibehielt, zählt 960 Seelen. Der Hauptort Kematen befindet sich ganz am Rand der Pfarre. Hauptkirche auch für den Sonntags-Gottesdienst ist nach wie vor die Kirche von Steinerkirchen. Zwei Kirchen erhalten zu müssen ist für die relativ kleine Pfarre eine besondere Last. Der alte Pfarrhof in Steinerkirchen, noch von Pfarrer Heinrich Steiner bewohnt, wurde inzwischen verkauft. Das neue Pfarrheim befindet sich im Markt Kematen. Heute ist Steinerkirchen Zuzugsgebiet aus dem Welser Raum. Der Strukturwandel am Land hat dazu geführt, daß der alte Gegensatz zwischen dem bäuerlichen Steinerkirchen und dem bürgerlichen Kematen nicht mehr in der früheren Schärfe besteht.