Man kann den Ausgang der Landtagswahl nicht auf die Flüchtlingsfrage reduzieren, sagt Bert Brandstetter, Präsident der Katholischen Aktion OÖ. Auch Erika Kirchweger, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung, meint Ähnliches, wenn sie sagt: „Es ist gewählt worden, was in der Bevölkerung schon da war.“
Ausgabe: 2015/40, Landtagswahl, Gesellschaft, Politik, sozial, Kirchweger
29.09.2015 - Ernst Gansinger
Nach der Wahl gilt es, nach vorne zu schauen. Erika Kirchweger hält vom Etikett „Rechtsruck“ nichts. Außerdem, auch wenn, was nicht richtig wäre, alle FPÖ-Stimmen als rechte Stimmen gewertet würden, haben immer noch fast 70 Prozent der Wähler/innen anders gewählt.
Diffamierung und Verantwortung
„Die Frage ist“, sagt Kirchweger, „wie die nun Verantwortung übernehmenden Politiker ihre Verantwortung wahrhaben. Wie sie den Zusammenhalt fördern und nicht diffamieren und die Gesellschaft nicht auseinandertreiben.“ Diffamierende Äußerungen hat es im Wahlkampf gegeben. Es sei zu hoffen, so Kirchweger, dass die jetzt abgestellt werden. Sie selbst wurde diffamiert, als ein FPÖ-Vertreter die Menschen, die sich am Linzer Bahnhof um Menschen auf der Flucht kümmern, „Invasionskollaborateure“ schimpfte. Kirchweger war eine der ehrenamtlichen Helferinnen.
Ursachen und Folgen
Aber nicht nur die Asylfrage verursachte das Wahlergebnis. Bert Brandstetter nahm bei arrivierten Politikern auch Abgehobenheit den Sorgen der Bürger/innen und Bürger gegenüber wahr. Was auch immer die Ursachen sind, es gilt jetzt mit den Folgen zu leben. Der KA-Präsident meint, dass Österreich sozial kälter wird. Denn die Wahlsiegerin, die FPÖ, hat hier Probleme, argumentiert mit dem Verdacht, dass das Sozialsystem ausgenutzt werde. Auch die Förderung moderner Kultur, einer Kultur, die die Lebensbereiche der heutigen Menschen widerspiegelt, könnte zurückgenommen werden: zu gesellschaftskritisch! „Mozart oder Haydn muss sich nicht fürchten“, spitzt Brandstetter seine Einschätzung zu.
Soziales und Kultur
Die Katholische Aktion – „wie alle NGOs“ – wird gefordert sein, meint Brandstetter. „Wir müssen achtsam sein, dass es zu keinem sozialen Kurswechsel kommt. Und wir müssen auch die Freiheit der Kultur verteidigen.“ Menschen, denen es schlecht geht, sollen weiterhin auf die Solidarität der Gesellschaft zählen können. Ihnen müsste die Kirche eine Stimme geben. „Wir werden wichtiger denn je“, sagt Brandstetter, „und wir werden mehr verhöhnt werden. Das macht aber nichts, wir halten es aus.“
Wohlstand und Solidarität
Die Österreicher/innen haben sich in einer Welt des Wohlstands eingerichtet, gibt Erika Kirchweger zu bedenken. Aber es kann nicht weiter immer mehr Wohlstand geben. „Wir müssen in Zukunft Abstriche machen und solidarisch leben.“ Die Katholische Frauenbewegung kann dabei aus der jesuanischen Spiritualität schöpfen: Jesus trägt auf, den Blick auf die Armen zu richten. Die Katholische Frauenbewegung „wird dort, wo wir sind, hinter den Lebensstil schauen. – Warum flüchten Menschen, warum kann ich ein billiges Leiberl kaufen und die das Leiberl nähenden Frauen in Bangladesh leben in fürchterlicher Armut?“ – Das sind Fragen der Solidarität und Fragen, die mit unserem Wohlstand zusammenhängen. Die Furcht, Wohlstand einzubüßen, steht hinter dem Wahlergebnis. „Wir müssen den Lebensstil ändern und uns einmischen“, sagt Kirchweger. Sie und Brandstetter halten es für Christenpflicht, sich im Rahmen der demokratischen Möglichkeiten zu beteiligen. Brandstetter richtet zudem einen Appell nach innen: „Wir müssen die politischen Kräfte eines humanen Kurses unterstützen. Hoffentlich driften sie nicht ab, vom Wahlergebnis dazu verführt. Das Land soll nicht allzu sehr erkalten!“
Oö. Landtagswahlen
2003. Bei der Landtagswahl erreichte die ÖVP 43,42 % der Stimmen; die SPÖ kam auf 38,33 %. Die GRÜNEN waren damals die drittstärkste Kraft, sie wurden von 9,06 % der Wähler/innen gewählt
2009. Vor sechs Jahren bekamen die Parteien folgende Stimmenanteile: ÖVP 46,76 %; SPÖ 24,94 %, die FPÖ wurde wieder drittstärkste Partei mit 15,29 % und das von ihr abgespaltete BZÖ erhielt 2,83 %. Die GRÜNEN hielten bei 9,18 %.
2015. Bei der Wahl letzten Sonntag änderte sich das Kräfteverhältnis markant: Die ÖVP kam auf 36,37 %, die SPÖ rutschte mit 18,37 % auf den dritten Rang, zweitstärkste Partei wurde die FPÖ mit 30,36 %. Die GRÜNEN erreichten 10,32 %.