Der erste österreichische Christentag steht vor der Tür. In allen Bundesländern wird es Veranstaltungen geben, von einer Aufbruchsstimmung ist aber wenig zu spüren. Wir sprachen mit Superintendent Helmut Nausner über seine Christentags-Erfahrungen.
Am ersten Adventwochenende ist Christentag. Stimmt der Eindruck, als ob dieses bisher einmalige Ereignis in manchen Kirchen bzw. Diözesen nicht besonders unterstützt wurde?
Nausner: Meine Erfahrung ist, dass der Christentag in den verschiedenen Bundesländern recht unterschiedlich aufgenommen und vorangetrieben wurde. Trotz allem aber ist es engagierten Leuten gelungen, dass es in allen Bundesländern in einer gelungenen Vielfalt Veranstaltungen zum Christentag geben wird. Ich selber habe im Ökumenischen Rat der Kirchen Österreichs und in Wien, wo ich an den Vorbereitungen beteiligt war, den Christentag als ein Projekt erlebt, das die konkrete Zusammenarbeit der Kirchen sehr gefördert hat. Nicht nur das Vertrauen zueinander ist gewachsen, auch die konkrete gegenseitige Unterstützung der Kirchen, etwa was den Personaleinsatz oder die technischen und finanziellen Möglichkeiten angeht.
Erfahrung der Langsamkeit
Aber haben Sie sich nicht etwas mehr Power und Begeisterung für den 1. Christentag erwartet?
Nausner: Ich hatte schon gehofft, dass diese Idee etwas mehr zündet, daß sich mehr kirchliche Organisationen und Institutionen voll hinter diese Sache stellen. Aber in unserer raschlebigen Zeit gibt es erstaunlicherweise auch so etwas wie die „Erfahrung der Langsamkeit“. Es dauert einfach eine gewisse Zeit, bis Menschen, Institutionen etc. aus ihrer Routine aufbrechen und etwas anderes, etwas Neues zulassen. Es gibt aber auch andere Beispiele: So etwa hat sich die Hauskirche, eine vor allem in der katholischen Kirche verbreitete traditionelle Form des adventlichen Feierns, in ihrer Broschüre für den Advent 1999 für das Anliegen des Christentages geöffnet. Ich hoffe, dass von diesem Heft auch viele christliche Familien außerhalb der katholischen Kirche im kommenden Advent Gebrauch machen und dadurch ein Art ökumenische Feiergemeinschaft entsteht. Vielleicht ermutigt diese Broschüre auch dazu, dass sich Familien aus verschiedenen Kirchen gegenseitig zur Hauskirche einladen. Das wäre ganz im Sinne des Christentages, der nicht Traditionen verschütten und verdrängen, sondern Bewährtes mit dem Bewußtsein, dass wir gemeinsamen vor Gott stehen, durchsäuern will.
Überwältigendes Erlebnis
Ein Basischristentag sollte es werden, mit vielen Initiativen in den Regionen und Gemeinden. Warum ist davon bis jetzt nicht sehr viel zu spüren?
Nausner: Es ist richtig, dass sich die Veranstaltungen eher auf regionaler Ebene oder in den städtischen Zentren ereignen; dort, wo es ökumenische Arbeitskreise gibt, oder engagierte Gruppen von konfessionsverschiedenen Paaren oder Weltgebetstags-Frauen. Ich gebe zu, dass ich mir von den Pfarren mehr Bewegung im Aufeinander-Zugehen erwartet habe – zumindest dort, wo es vor Ort ökumenische Partner gäbe. Bei allem nüchternen Realismus aber gebe ich die Zuversicht nicht auf, dass der Christentag auch hier ein Impuls sein könnte. Ein Beispiel, wie ein Anstoß von außen wirken kann, war der ökumenische Gottesdienst aus Oberwart, der am Nationalfeiertag im Radio übertragen wurde. Ein evangelischer Pfarrer meinte nachher: „Wir waren uns nicht fremd, wir treffen uns, reden und planen manches miteinander, aber gemeinsam Gottesdienst gefeiert haben wir noch nie. Das war ein überwältigendes Erlebnis.“ Konkrete soziale Taten wurden zum Christentag empfohlen. Was ist daraus geworden?
Gemeinsames Sozialwort
Nausner: Es gibt in manchen Pfarren oder Bezirken schon eine gute ökumenische Zusammenarbeit in sozialen Nöten, etwa in der Flüchtlingsfrage. Aber ohne Zweifel könnte noch viel mehr gemeinsam getan werden. Auch dabei könnte der Christentag ein Motor sein – wie z. B. in Wien, wo die Aktion „Herberge“, in der Pfarren für einige Wochen im Winter Flüchtlinge aufnehmen, heuer erstmals ökumenisch organisiert wird. Als eine konkrete Frucht der intensivierten Zusammenarbeit sehe ich auch, dass es nun doch trotz mancher Bedenken und Widerstände ein ökumenisches Sozialwort der Kirchen Österreichs geben wird. Ein schönes Zeichen ist für mich auch die Verwendung der Christentagskollekte im Stephansdom für ein Projekt, das die evangelische Diakonie Gallneukirchen und die Caritas Oberösterreich in Mostar errichten: eine Ausbildungsstätte für behinderte moslemische und katholische Jugendliche.
Ein christliches Zeichen der Hoffnung wollte man den Ängsten rund um die Jahrtausendwende entgegensetzen. Wo ist das geschehen?
Nausner: Ich denke doch, dass das ein Zeichen der Hoffnung sein kann, wenn die Kirchen an der Schwelle zum neuen Jahrtausend gemeinsam Zeugnis geben von ihrer Zuversicht in die Treue und Liebe Gottes, wenn sie gemeinsam Gott bitten, „Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf in unserer Zeit…“, und wenn sie sich gemeinsam den Menschen und den brennenden Zeitfragen Friede, Gerechtigkeit, Solidarität und Versöhnung zuwenden.
Helmut Nausner ist Superintendent der Methodistischen Kirche Österreichs und Vorsitzender der Vorbereitungsgruppe für den Christentag. Seit vielen Jahren gehört er zu den unermüdlichen Ökumenikern in unserem Land.