Zum Tod von Rudolf Kirchschläger, Außenminister und Bundespräsidet a. D.
Ausgabe: 2000/14, Kirchschläger
04.04.2000
- Hans Baumgartner
Rudolf Kirchschläger ist tot. Zwei Wochen nach seinem 85. Geburtstag ist er am 30. März heimgegangen zu Gott, auf den er sein Leben gebaut hat.
Die Meldung vom Tod Rudolf Kirchschlägers löste bei vielen Trauer und Betroffenheit aus. Mehr als andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens stand Kirchschläger für Aufrichtigkeit und Anständigkeit, für die Treue gegenüber seinen Prinzipien, für Geradlinigkeit und Rückgrat, für Warmherzigkeit und eine geradezu glühende Liebe zur Demokratie. In die stille Trauer im Land, die so gut zu diesem unaufgeregten, stets um Ausgleich und nie um Schlagzeilen bemühten Mann passt, mischt sich auch Wehmut, dass mit Kirchschläger ein Stück des „guten Österreich“ gestorben ist. Ein Gefühl, das sich gerade angesichts der aktuellen politischen Situation breitmacht. Kirchschläger würde darauf mit einem leidenschaftlichen Appell antworten: Demokratie braucht nicht nur entsprechende gesetzliche Spielregeln, sondern überzeugte Demokraten, denen das Gemeinwohl wichtiger ist als der eigene rasche Vorteil, und sie braucht Menschen, die Moral auch im öffentlichen Bereich zeigen. Vor fünf Jahren hat Rudolf Kirchschläger in einem Kirchenzeitungs-Kommentar zu den Nationalratswahlen eindringlich vor dem Schüren von Intoleranz und Hassgefühlen und dem medialen Hochschaukeln von Emotionen gewarnt. Er fürchtete, es könnte zuviel Porzellan zerschlagen werden, so dass ein Miteinander der Parteien zum Wohl des Landes immer schwerer wird. Die Sorge um die Demokratie und den gesellschaftlichen Frieden in Österreich war eines der großen Anliegen Kirchschlägers. Er hatte in der Ersten Republik und in der Nazizeit erlebt, wohin es führt, wenn die Werte der Demokratie über Bord geworfen werden. Kirchschläger war auch der erste namhafte Politiker, der die Mitschuld „zu vieler Österreicher“ an den Gräueln des NS-Terrors ausgesprochen hat. Nur wollten das damals viele in Österreich ebenso wenig hören wie Kirchschlägers an alle Bürger/innen gerichtete Mahnung zu mehr Moral im gemeinschaftlichen Leben. Als er vor 20 Jahren bei der Eröffnung der Welser Messe die „Trockenlegung der Sümpfe und sauren Wiesen“ forderte, meinten allzu viele, das geht nur die „Gaunerpartie“ um den „AKH-Sumpf“ etwas an. Kirchschläger aber meinte damals „recht altmodisch“, dass Sumpfblumen unaffällig nur in einem Sumpf wachsen, in dem der allgemeine Verfall der Moral als „Kavaliersdelikt“ verharmlost werde. Kirchschläger hat in seinem Leben mehrfach Zivilcourage bewiesen und dabei auch sein Fortkommen riskiert. Deshalb waren ihm Mitläufer und Opportunisten zutiefst zuwider. Er war das Gegenbeispiel zu Qualtingers „Herrn Karl“, dem Inbegriff des Österreichers, der seine Fahne in jeden Wind steckt. Grundlage für Kirchschlägers aufrechten Gang und seine tiefe Verbundenheit mit den Menschen war sein Glaube. In der Hinwendung zu Gott konnte er auch die Beschwernisse seines Lebens annehmen, wie er in der Weihnachtsnummer der Kirchenzeitung schrieb. In diesem Glauben erwartete er auch ohne Angst, dass Gott ihn heimholt, wenn es Zeit ist.