Die Fernsehbilder der Armut in Brasilien haben Alfredo Schaffler keine Ruhe gelassen. Vor 34 Jahren von Feldkirch ausgewandert, wird der 59-Jährige am 3. Juni in Teresina zum Bischof geweiht.
„Es war nie mein Plan Bischof zu sein“, erzählt Alfredo Schaffler. „Daran habe ich nie gedacht“, sagt er schmunzelnd am Telefon. Am 3. Juni wird Padre Alfredo, wie er angesprochen werden möchte, in Teresina zum Bischof geweiht. Zwei Wochen später wird der bisherige Pfarrer seine Aufgabe als Koadjutor in Parnaíba im nordostbrasilianischen Piauí übernehmen. „Dass ich mit Bischof Joaquim do Rêgio zusammenarbeite, freut mich besonders. Denn als Kaplan war er vor 32 Jahren mein erster Pfarrer.“
Herzlich willkommen
Dass Alfred Schäffler, wie er bis zum Erhalt der brasilianischen Staatsbürgerschaft hieß, nach Brasilien kam, verdankt er dem schweizerischen Schulfernsehen. Als Religionslehrer in Feldkirch sah er 1965 eine Reportage über das südamerikanische Land. Im Interview warb Edilberto Dinkelborg, damals Bischof von Oeiras, um Priester und Entwicklungshelfer. „Diese Bilder haben mich aus meiner Ruhe gerissen. Und ich habe ihm geschrieben“, erzählt Schaffler. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Sie sind herzlich willkommen.“ Noch ein Motiv, die Zelte in Vorarlberg abzubrechen gab, es für den gebürtigen Niederösterreicher: „Schon mein Vater wollte nach dem Ersten Weltkrieg nach Brasilien auswandern.“ Für den Wunsch Priester zu werden, weshalb der Ordensmann auch die Schulbrüder verließ, hatte er sich mit dem bis heute ärmsten Bundesstaat jedoch nicht gerade den leichtesten Ort gewählt. In Picos machte der Kaplan bald Bekanntschaft mit der seit 1964 herrschenden Militärdiktatur. „Es hieß, ich sei Kommunist und Agitator in der Jugendarbeit.“ Dass der ausländische Priester die Vorladung bei der extrem gefürchteten vierten Militärabteilung überstand, kommentiert der Bischof: „Bis heute weiß ich nicht, warum ich heil zurückgekommen bin.“ In Wahrheit hatte er nur zusammen mit Jugendlichen einen Stadtteil mit 250 Häusern aufgebaut und versucht, würdigere Lebensbedingungen zu schaffen. „Und ich habe verschiedene Zustände, die nicht richtig waren, beim Namen genannt.“
Gemeinsam Kaffee trinken
Wie sehr Alfredo Schaffler nach 34 Jahren zum Brasilianer geworden ist, zeigen die Pläne für seinen Neubeginn in Parnaíba: „Ich möchte alle 20 Pfarren besuchen und mit den Priestern einen kleinen Kaffee trinken, wie man hier sagt. Denn mein Wahlspruch ,Stärke im Glauben‘ gilt zunächst ihnen.“ Als künftiger Bischof für rund eine halbe Million Menschen geht Dom Alfredo ohne Rezept an die Arbeit. „Gemeinsam mit den Priestern werden ich sehen, was wir machen können.“ Nur eines steht für ihn bereits vor der Weihe fest: „Den Ausgeschlossenen gehörte die besondere Liebe Jesu, sie sind Gottes Lieblinge. Sie waren bisher meine Lieblinge, und sie werden es bleiben, auch wenn ich Bischof bin.“
Interview:
Wie sehen Sie Ihre bisherige Aufgabe als oberster Kirchenrichter der Erzdiözese? Schaffler: Das ist eine seelsorgliche Aufgabe, besonders in der Familienseelsorge. Vielfach werden Menschen diskriminiert, weil sie eine zweite Ehe eingehen. Wenn man aber genauer hinsieht, muss man feststellen, dass in sehr vielen Fällen die erste Ehe gar nicht existiert hat. Also, dass wir als Kirche auch eine Ungerechtigkeit damit machen. Meiner Meinung nach sind sehr viel mehr Ehen ungültig, als wir allgemein annehmen.
Wie haben Sie die 500-Jahre-Feiern in Brasilien erlebt? Schaffler: Das ist ein Schandfleck, den Brasilien die nächsten 500 Jahre wird tragen müssen. Auch nach 500 Jahren hat es die Regierung nicht verstanden, Respekt gegenüber den Indios zu haben, denen schließlich Grund und Boden in Porto Seguro gehört. Sie wurden sehr brutal behandelt und die Presse hat es verschwiegen. Als in Porto Seguro ein Indio-Führer darüber vor allen Bischöfen sprach, sind mir die Tränen in den Augen gestanden.
Wie sehen Sie Ihre Aufgabe als Bischof? Schaffler: Ohne die Priester kann ich gar nichts tun. Ich möchte ihnen helfen, dass sie ihre Mission erfüllen können, dann ereignet sich Pastoral. Wenn die Menschen merken, dass die Priester Freude haben an ihrem Priestertum, und das selbst nach wer weiß wie viel Jahren, dann sind sie ein Signal der Kirche und Hoffnung für das Volk.
Danke, Padre Alfredo, für das Gespräch. Beim nächsten Mal werde ich Sie mit Dom Alfredo ansprechen. Schaffler: Oh, das ist nicht wichtig. Denn ich möchte die Person bleiben, die ich immer war: Padre und Bruder für jeden. Alles andere liegt mir auch nicht.
Zeitraffer:
1941 Alfred Schäffler wird am 18. Jänner in Waidhofen/Ybbs geboren. 1958 Eintritt in den Orden der Schulbrüder. 1963 Religionslehrer bei den Schulbrüdern in Feldkirch. 1966 Alfred Schäffler wandert nach Brasilien aus. Mit der brasilianischen Staatsbürgerschaft wird er zu Alfredo Schaffler. 1968 Priesterweihe in Oeiras (PI). 1977 Studium (Missiologie/Kirchenrecht) an der Gregoriana (Rom). 1985 Offizial am Kirchengericht der Erzdiözese Teresina, Bischofsvikar für Wirtschaftsfragen und Professor am Priesterseminar. 1997 Wahl zum Präsidenten der brasilianischen Gesellschaft der Kirchenrechtler (bis 1999). 2000 Am 15. März zum Bischof-Koadjutor von Parnaíba (PI) ernannt.