Nikolaus von Kues: Der Brixener Kirchenmann an der Zeitenwende
Ausgabe: 2000/30, Umbruchszeit, Brixen, Bischof Nikolaus von Kues
25.07.2000 - Reinhard Kriechbaum
„De ludo globi. Vom Spiel der Welt“ ist der Titel einer spannenden Ausstellung in der Hofburg in Brixen. Im Mittelpunkt steht Bischof Nikolaus von Kues.
„Cusanus“ ist die lateinische Form, Nikolaus von Kues war derdeutsche Name. Der Kardinal und Bischof von Brixen lebte von 1401 bis1464. Eine schillernde Figur an der Schnittstelle zwischen Mittelalter und Neuzeit: Jurist, Diplomat, Philosoph, Naturwissenschafter, Seelsorger und streitbarer Kirchenreformer. Ihm ist heuer eine Ausstellung in der pracht- vollen Renaissance-Hofburg von Brixen gewidmet. Unter dem Titel „De ludo globi. Vom Spiel der Welt“ versucht sie, die Gestalt von Cusanus inmitten der geistigen Spannungen des 15. Jahrhunderts nachvollziehbar darzustellen.
Auf ein Ziel gerichtet
„De ludo globi“: Dieses Spiel hat sich Bischof Nikolaus von Kues ausgedacht, um seinen Zeitgenossen das Streben des Menschen nach Erkenntnis und Gottesnähe anschaulich zu machen. Auf einer Fläche sind neun konzentrische Kreise aufgezeichnet, einer Zielscheibe ähnlich. Die Aufgabe ist, von außen eine Art Bocciakugel möglichst nahe an den Mittelpunkt heranzurollen. Der Pferdefuß dabei: Die Kugel ist an einer Seite leicht eingedellt, also unwuchtig. Selbst der geschickteste Spieler kann den Lauf der Kugel – des „Globus“ – nicht vorherbestimmen. An diesem Spiel machte Nikolaus von Kues sein Gedankengebäude fest: Die Kreisringe entsprechen unterschiedlichen Erkenntnisstufen, der Mittelpunkt steht für Christus. Das Leben ist ein Torkeln, nicht zu konkret zu planen, aber doch auf ein Ziel hin gerichtet. Das Spiel steht als Gleichnis für die Wechselfälle des Lebens. „De ludo globi“ war nicht nur ein Traktat in Buchform, man scheint auch wirklich gespielt zu haben. Tatsächlich blieb Cusanus in seinem bewegten Leben nicht viel Muße zum Spiel: Er war ein Kämpfer für die Union von Ost- und Westkirche, und diese Idee von der Einheit bestimmte auch seine humanistisch geprägte Philosophie.
1448 wurde Cusanus zum Kardinal ernannt, 1450 als Bischof in Brixen eingesetzt. Seine Seelsorge-Reformen erregten Unmut bei dem im Denken noch im Mittelalter verhafteten Domkapitel, das gegen den ungeliebten Neuerer rebellierte. Nikolaus von Kues musste seine Diözese verlassen und starb 1464 in Umbrien. Auch gegen die weltliche Macht führte Cusanus manche Fehde, etwa gegen den in Nordtirol residierenden Habsburger-Erzherzog Sigmund dem Münzreichen. Sigmund wurde sogar exkommuniziert, worauf der Kardinal seines Lebens nicht mehr sicher sein konnte.
Zeit der Widersprüche
Ähnlich den konzentrischen Kreisen des „Weltspiels“ versucht die Schau mit Urkunden, Büchern und Kunstwerken in die Zeit hineinzuziehen. Die gezeigte Kunst ist von höchstem Rang, Werke aus dem Umkreis der Pacher-Schule, Porträts von Bernhard Strigel, Max Reichlich und anderen Meistern der Spätgotik. Kostbare „Wiegendrucke“, also Bücher aus der Frühzeit der Buchdruckerei, sind zu sehen. Manche dieser Werke sind händisch mit kostbaren Ranken und Initialen verziert. Die hölzerne Brixener Buchdruckerpresse ist übrigens die weltweit älteste, die noch erhalten ist. Traurig der Inhalt des ältesten Südtiroler Druckwerks: Es ist die Geschichte des Simon von Trient – Vorbild für viele Legenden jüdischer Ritualmorde an Christenkindern (etwa Anderl von Rinn). Aller Philosophie des Nikolaus von Kues zum Trotz: Dem „finsteren“ Mittelalter waren erst einige wenige fortschrittliche Denker der Zeit entronnen.
Schaufenster:
„1500circa“ ist der übergreifende Titel des ersten gemeinsamen Ausstellungsprojekts der Europaregion Tirol – Südtirol – Trentino. An drei Orten (Schloss Bruck bei Lienz, Hofburg Brixen und Castel Beseno nahe Rovereto) werden drei eigenständige und sehr unterschiedliche Ausstellungen gezeigt, die eines gemeinsam haben: Sie beschäftigen sich mit der überaus spannungsreichen Zeit um 1500, mit der Naht- oder Bruchstelle zwischen Mittelalter und Neuzeit.
Umbruchszeit
Circa um 1500 muss es gewesen sein, als die Neuzeit begann, schrieb 1685 Christoph Cellarius. Das alte Weltbild zerbrach; Humanismus, Renaissance und das wachsende Interesse an Naturwissenschaften eroberten, von Italien ausgehend, die geistigen Eliten Europas. Zur gleichen Zeit blühten Aberglaube und Hexenwahn, Scheiterhaufen loderten und die Juden wurden als „Sündenböcke“ verfolgt. Die Ausstellung in Lienz stellt das ungleiche Paar aus „verschiedenen Welten“ Paola Gonzaga und Leonhard von Görz in den Mittelpunkt. Auf der Festung Beseno geht es um Militärtechnik, Festungsbau und die politische Entwicklung (Krieg zwischen Venezianern und Habsburgern) an der Grenze. „De ludo globi. Vom Spiel der Welt“ steht über der Ausstellung in der Hofburg in Brixen. Sie stellt den ebenso bedeutsamen wie umstrittenen Philosophen und Bischof Nikolaus Cusanus in den Mittelpunkt. In bedeutsamen Kunstwerken und Dokumenten versucht die Schau, den Betrachter schrittweise zu einem Verständnis dieser Umbruchszeit hinzuführen.
„De ludo globi. Vom Spiel der Welt“ Hofburg Brixen. Geöffnet bis 31. 10. täglich von 10 bis 18 Uhr. Infos: Tel. 00 39/04 72/83 05 05