Wer hätte es geglaubt: Als meine gerade volljährig gewordene Tochter von einer Freundin ein Seifenblasenröhrl geschenkt bekam, sorgte das für helle Begeisterung in ihrer gleichaltrigen Geburtstagsrunde. Man ist offenbar nie zu alt, um bute Seifenblasen in die Luft zu pusten und zu schauen, wie hoch sie steigen und wann sie platzen. Der Faszination dieses Spiels scheint auch ein Großteil der Regierung verfallen zu sein: Reichensteuer und freie Krankenkassenwahl, soziale Staffelung der Familienbeihilfe und Kürzung der Wohnbaugelder, Infragestellung der Mitversicherung von Ehefrauen und Prüfung des Pflegegeldes… Alle paar Tage erfreuen uns Minister/innen, Staats- und Parteisekretäre mit neuen, schillernden Seifenblasen – und andere versuchen sie ebenso rasch zum Platzen zu bringen.
Es ist durchaus zu verstehen, wenn Minister Molterer sagt, an der derzeitigen politischen Situation reize ihn, dass alles „neu gedacht“ wird. „Es gibt praktisch kein Politikfeld, das wir nicht durchleuchten und infrage stellen. Nur so ist es möglich, den dringend nötigen Strukturwandel zu bewältigen.“
Dass in Österreich viele von der Politik geschaffene Strukturen durch Jahrzehnte mangelnder Bewegung verknöchert sind, ist ebensowenig zu bestreiten wie die Tatsache, dass in vielen Bereichen der Sozialpolitik ein enormer Reformrückstau entstanden ist. Es ist daher erfreulich, wenn Politiker darüber gründlich nachdenken wollen – auch unter Einbeziehung von Experten und über den nächsten Wahltag hinaus. Es ist auch begrüßenswert, wenn wirkliche Reformvorschläge einer breiten öffentlichen Diskussion unterworfen werden. Was aber jetzt passiert, ist ein unwürdiger Profilierungswettlauf auf Kosten der Bevölkerung, die durch jede neue „Seifenblase“ mehr und mehr verunsichert wird. Das ist ein Sturzbach auf die Mühlen der Politikverdrossenheit.