Kommentar von Walter Achleitner u. Hans Baumgartner
Ausgabe: 2000/45, Meinung
07.11.2000
- Kirchenzeitung der Diözese Linz
Atom-Glocken
Ermutigendes aus Russland war zuletzt schon selten zu hören. Besonders nachdem der Krieg in Tschetschenien seit Monaten unmittelbar vor dem Aus steht und zig Tausende Flüchtlinge jetzt den zweiten Winter erleiden. Oder der Katastrophensommer – das Atom-U-Boot „Kursk“ ist nur ein Symptom für den Niedergang der Weltmacht. Und es gibt sie dennoch, die erfreulichen Meldungen: Im einst streng geheimen Nuklearzentrum Sarow haben nun die Nuklearphysiker ihre Anlage umgestellt. Statt Atombomben zu fertigen gießen sie nun Kirchenglocken. Ein Jahr hätten sie benötigt, um das neue Handwerk zu lernen. Es bleibt zu hoffen, dass Atom-Glocken zum Symbol für das neue Jahrtausend werden. Klingen sollen sie ja schon gut, das behauptet zumindest der weltberühmte Cellist Mistislaw Rostropowitsch.
Der Kniefall
So etwas habe er in einer halbwegs reifen westlichen Demokratie noch nicht erlebt, meinte vergangenen Sonntag der Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“, Michael Frank, in der TV-Sendung „betrifft“. Was den erfahrenen Österreich-Kenner so betroffen machte? Nach einer gut einstündigen Debatte von Nichtpolitikern (Journalisten, Meinungsforschern etc.) über den Spitzel-Skandal schaltete der ORF zu FPÖ-Generalsekretär Westentaler, damit dieser zum bisher Gesagten seinen Kommentar dazugeben konnte. Das Betroffen-Machende war nicht der wüste Rundumschlag des FP-Parteimanagers, sondern die Tatsache, wie weit sich der „unabhängige“ ORF bereits bedrängt fühlen muss, um einen solchen, früher undenkbaren, Kniefall zu machen. Die Alarmglocken müssten laut läuten.