Bedrängten Christen ist der hl. Florian vor 1.700 Jahren zu Hilfe gekommen – und hat dafür den Tod erlitten. Oberösterreich feiert in diesen Tagen „seinen“ Namenspatron Florian – und steht dabei vor einer Bewährungsprobe. Seit 1. Mai ist die Bereitstellung von Flüchtlingsquartieren Ländersache. Zusammen mit den Hilfseinrichtungen ist auch Oberösterreich gefordert, Asylsuchenden menschlich zu begegnen. Bei der Suche nach Quartieren wirbt das Land Oberösterreich um die Mithilfe der Gemeinden. Wie Caritas-Direktor Mathias Mühlberger darstellt, will die Caritas rund 160 Quartiere schaffen. Die Franziskanerinnen von Vöcklabruck wollen ein Heim zur Verfügung stellen. Allerdings wehren sich manche Gemeinden dagegen. Gesucht werden nicht Einzelunterkünfte, sondern größere Quartiere, weil auch eine effiziente Betreuung – etwa durch Dolmetscher – möglich sein soll. Zuletzt waren – so Mühlberger – in Oberösterreich ständig rund 50 Asylanten ohne jedes Obdach.
Tagelange Irrfahrt bei der Herbergsuche
Österreichische Asylpolitik schlitterte in ein unmenschliches Chaos
Tagelang irrten vergangene Woche Flüchtlinge ohne Verpflegung und Unterkunft durch Ostösterreich.
„Die letzten Tage waren sehr schlimm“, sagte Michael Bubik vom Evangelischen Flüchtlingsdienst am vergangenen Freitag zur Kirchenzeitung. „Täglich standen 20 bis 30 Flüchtlinge auf der verzweifelten Suche nach einer Unterkunft vor der Tür des Betreuungszentrums der Diakonie. Nur durch die enge Zusammenarbeit der Hilfswerke gelang es, in mühevoller, aufreibender Suche Unterkünfte und Notschlafplätze aufzutreiben. Besonders dramatisch war die Situation am Mittwoch. In der Nacht kamen plötzlich über 80 Flüchtlinge aus Tschetschenien, die seit Tagen keine Unterkunft und Verpflegung hatten. Sie befanden sich in einem fürchterlichen Zustand“, erinnert sich Michael Bubik. Man hatte sie in Gmünd nach der Registrierung wieder auf die Straße gestellt, weil Traiskirchen die Aufnahme verweigerte. In Traiskirchen mussten 40 Flüchtlinge mit Kleinkindern mehrere Tage im Freien übernachten, obwohl noch Plätze frei gewesen wäre. Dort aber entlässt man seit Wochen Flüchtlinge ins Ungewisse, weil man das Lager ab 1. Mai als Erstaufnahmestelle benötigt.
Eine akute Notlage
Für das Chaos der letzten Wochen sei politisch das Innenministerium verantwortlich. Trotz eindringlicher Warnungen der Hilfsorganisationen habe man die Dinge zu lange schleifen lassen, meint der Linzer Caritasdirektor Mathias Mühlberger. Für ihn sei es keine Überraschung, dass vor der EU-Erweiterung und vor dem Wirksamwerden des neuen Asylgesetzes in Österreich am 1. Mai der Flüchtlingsstrom deutlich zugenommen habe. „Und dabei hatten wir schon vorher mit übervollen Notquartieren einen unhaltbaren Zustand“, meint Mühlberger.
„Ich hoffe, dass die Betreuungsvereinbarung von Bund und Ländern noch vor dem Sommer eine deutliche Entlastung bringt“, meint Michael Bubik. Zumindest einige Bundesländer wie Vorarlberg, Oberösterreich oder auch Kärnten hätten sich angestrengt und an die 1000 Plätze in Aussicht gestellt. „Bis diese bezugsfertig sind und auch die notwendige Betreuung organisiert ist, kann es noch Wochen dauern. Bis dahin haben wir eine dramatische Notlage. Es fehlen akut etwa 600 Plätze. Und ich verstehe nicht, warum man nicht vorübergehend dafür Kasernen öffnet. Es ist einfach skandalös und beschämend, dass Österreich mit diesem vergleichsweise kleinen Problem nicht fertig wird“, ärgert sich Bubik. „Oder ist es eine bewusste Abschreckungs-Strategie?!“
Niemand könne heute sagen, wie die Flüchtlingsentwicklung in den nächsten Monaten ausschauen werde, meint Andreas Lepschi von der Caritas Österreich. Er fürchtet, dass die bisher von den Ländern aufgetriebenen zusätzlichen Quartiere nicht ausreichen werden. Es gebe heute viele Notquartiere, die so nicht weitergeführt werden können. Außerdem werden zusätzlich zwischen 1000 und 1600 Plätze benötigt, weil Thalham und Traiskirchen für Erstaufnahmen freigemacht werden.
Hans Baumgartner
ZUR SACHE
Die Länder auf Quartiersuche
Anfang des Jahres schlossen die Länder und der Bund einen Vertrag zur Betreuung von Asylwerbern und schutzbedürftigen Fremden. Die Länder sind für die Bereitstellung der Quartiere und für die Betreuung der Flüchtlinge zuständig. Die Kosten tragen der Bund (60%) und die Länder (40%) gemeinsam. Der Vertrag trat mit 1. Mai in Kraft.Derzeit befinden sich 11.085 Flüchtlinge in Bundesbetreuung. Nur die Bundesländer Wien und Niederösterreich erfüllen die nach dem Bevölkerungsanteil festgelegten Quoten. Alle anderen müssen zusätzliche Plätze auftreiben. Experten beziffern die Zahl der notwendigen Quartierplätze mit 16.000 bis 20.000 da nicht nur Asylwerber aufzunehmen sind.
Vorarlberg beherbergt derzeit 400 Flüchtlinge. Bis Mitte Mai wird es 600 Plätze geben. Bis Ende Juni soll die derzeitige Quotenvorgabe von 689 erreicht sein. Probleme gibt es, weil gute Quartiere mit dem vom Bund vorgegebenen Kostenersatz von 13 bis 17 Euro pro Tag kaum zu finden sind. Das Land wird wohl zuzahlen müssen. In Tirol konnten bisher nur zwei kleine reguläre Quartiere gefunden werden. Es gibt zwar Angebote, sie scheitern aber durchwegs am Einspruch der Bürgermeister. In Oberösterreich geht bei der Quartiersuche erst etwas weiter, seit Landeshauptmann Pühringer und Soziallandesrat Ackerl vereinbarten, dass die Bürgermeister nur noch Quartiere mit über 60 Plätzen ablehnen können. Bei kleineren Quartieren sind die Gemeinden in eine möglichst gute Vorbereitung einzubinden. Schon in den nächsten Tagen werden 90 Prozent der Quote erfüllt sein. Die Caritas (160 Plätze) und andere Hilfswerke sind aktiv in die Quartiersuche und Betreuung eingebunden.
Dem Zeitgeist nach dem Mund geredet
Österreich hat es nicht nötig, Flüchtlinge auf die Straße zu stellen. Es ist eine Frage des Wollens, sagt Caritas-Präsident Franz Küberl.
In den letzten Wochen hat sich die Situation bei der Unterbringung von Flüchtlingen so zugespitzt, dass Sie und Bischof Kothgasser den Bundeskanzler gebeten haben, persönlich einzugreifen. Was geschah dann?
Küberl: Kurz nachdem der Bundeskanzler unseren Brief erhalten hatte, hat sich Innenminister Ernst Strasser bei mir gemeldet. Und er lud die vier Hilfsorganisationen (Caritas, Diakonie, Volkshilfe, Rotes Kreuz), mit denen er in diesen Fragen auch sonst immer redet, zu einem Gespräch ein. Es fand am Dienstag vergangener Woche statt und war – nach einer für uns unverständlichen mehrwöchigen Gesprächsverweigerung – der Versuch, den Faden der Zusammenarbeit wieder aufzunehmen.
Zuschauer in der Loge
Wie dramatisch ist die Lage und wie überraschend kam das?
Küberl: Die Lage ist insoferne dramatisch, dass wir einfach ein paar hundert Flüchtlinge auf der Straße stehen haben, darunter viele Familien mit Kleinkindern, für die es keinen Platz gibt, nicht einmal eine Notmatratze. Wenn ich mich erinnere, was uns im Bosnien-Krieg oder während der Kosovo-Krise gelungen ist, dann ist es einfach beschämend, dass wir für diese 400 bis 600 Leute angeblich einfach keine Quartiere haben. Vielleicht liegt dahinter auch eine gewisse Strategie, nach außen zu signalisieren, dass es nicht besonders angenehm ist, Asylant in Österreich zu sein.
Auf der anderen Seite sehe ich aber auch Bemühungen des Innenministeriums, mit den Ländern und Hilfsorganisationen zu mehr Quartieren zu kommen. Vielleicht hat man die Mühsal dieser Suche etwas unterschätzt. Aber überraschend kommt diese Krisenlage nicht. Wir haben seit Mitte Februar wiederholt den Innenminister auf die Entwicklung aufmerksam gemacht. Und sie mussten ja auch selber sehen, dass die Lage zu eskalieren droht. Was dann Ende März auch geschah und in den letzten Wochen verstärkt wurde, nachdem offenbar noch vor dem 1. Mai einige EU-Beitrittsländer ihre Flüchtlinge loswerden wollten.
Was mich in dieser Situation ärgert, ist, dass wir – Innenministerium, Länder und Hilfsorganisationen – es offenbar nicht zustandebringen, gemeinsam so eine Sache ordentlich zu managen. Und was mich echt enttäuscht ist, dass es in dieser Republik viele Verantwortliche gibt, die bequem in der Loge sitzen und dem Innenminister und den Hilfsorganisationen seelenruhig zuschauen, wie sie miteinander – oder auch im Streit – dieses Problem angehen. Ich möchte hier nur das fehlende Engagement der Bundesimmobiliengesellschaft oder der Chefetage des Heeres erwähnen. Das Bundesheer ist für Katastrophenfälle da. Und so eine humanitäre Katastrophe hatten wir in den vergangenen Tagen. Hilfe, wie die vorübergehende Unterbringung von Flüchtlingen, gab es keine. Gott möge uns vor wirklichen Katastrophen bewahren.
Seit der Innenminister gesagt hat, dass es neue Flüchtlingsquartiere nur mit Zustimmung der Bürgermeister gibt, finden die Länder kaum mehr Unterkünfte. Was wäre zu tun?
Küberl: Da ist dem Innenminister zu leichtfertig etwas herausgerutscht, das er so vielleicht gar nicht gemeint hat. Natürlich ist es sinnvoll und richtig, dass man dort, wo Flüchtlingsquartiere eröffnet werden sollen, mit den Gemeinden in ausführlichen Gesprächen abklärt, was das an Veränderung bedeutet, wie die Betreuung aussehen soll und wie man mögliche Schwierigkeiten gemeinsam meistert. Nicht sinnvoll und gesetzlich nicht gedeckt ist es, den Bürgermeistern die Letztverantwortung zu übertragen. Die liegt eindeutig bei den Ländern.
Aber natürlich versuchen jetzt viele Bürgermeister, das Wort des Innenministers gegen das Recht des Landes auszuspielen. Und sie folgen damit dem Zeitgeist. Denn heute fehlt immer mehr das Bewusstsein dafür, dass wir für eine humanitäre Verpflichtung, wie die Aufnahme und Versorgung von mittellosen Flüchtlingen, alle miteinander eine Verantwortung haben. Anstatt dafür zu werben, dass das unserem Land möglichst gut gelingt, reden auch viele Politiker (Bürgermeister) dem Volk nach dem Mund. Ich weiß, dass es Mut verlangt, gerade in diesem Bereich für Solidarität und Recht einzutreten. Ich weiß aber auch, dass man die Unterbringung von Flüchtlingen gut verkraften kann, wenn man die Sache vorher gut vorbereitet und eine gute laufende Betreuung sichert. Weil wir an guten Lösungen interessiert sind und als Kirche auch ein Beispiel geben wollen, verhandelt die Caritas derzeit um einige hundert zusätzliche Unterkünfte in überschaubaren Häusern. Schon jetzt betreuen wir rund 1700 Flüchtlinge.
Interview: Hans Baumgartner
DAS LEXIKON
Seit 1. Mai ist vieles neu
Mit 1. Mai traten die Neuregelungen des Asylgesetzes in Kraft. Zentrales Anliegen ist es, die Verfahren zu beschleunigen. Das sei auch für die Asylwerber gut, wenn sie früher über ihre Zukunftsperspektiven Bescheid wissen, meinen auch die Hilfsorganisationen. Sie fordern allerdings mit Nachdruck, dass die Schnelligkeit nicht auf Kosten der Qualität (Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit) gehen darf und fordern mehr Personal. Nach dem neuen Gesetz werden alle Asylwerber zunächst in eine der drei Erstaufnahmestellen (Thalham, Traiskirchen, Schwechat) gebracht. Innerhalb von 72 Stunden soll die erste Einvernahme erfolgen. Innerhalb von 20 Tagen soll entschieden werden, ob ein Asylverfahren durchgeführt wird oder nicht. Während des Verfahrens sind mittellose Asylwerber öffentlich unterzubringen. Sie können aber auch in „sichere Drittländer“ abgeschoben werden. Das wird ebenso kritisiert wie die Tatsache, dass im Berufungsverfahren keine neuen Fluchtgründe mehr genannt werden können. Da Österreich seit 1. Mai EU-Binnenland ist, haben viele Asylwerber mit Rückschiebungen zu rechnen, da nach EU-Recht die Verfahren in dem Land stattzufinden haben, über das der Asylant in die EU eingereist ist. Innenminister Strasser hofft damit auf eine Entschärfung für Österreich. Für die Unterbringung hilfsbedürftiger Fremder sind seit 1. Mai die Bundesländer zuständig.