Ombudsmann Dr. J. Gratzer berät Eltern und Schüler bei schulischen Problemen und Anliegen
Ausgabe: 2004/28, Zeugnis, Eltern, Rat, Schüler, Elternbrief, Beziehungleben, Schule
07.07.2004 - Marlies Miesenberger
Nicht nur Schüler/innen sind verzweifelt, wenn ein Nicht Genügend im Zeugnis steht. Auch die Eltern sind beunruhigt und suchen Rat beim Ombudsmann.
Der Anruf der Mutter des Schülers K. langt beim Ombudsmann ein. Ihr Sohn erwartet eine negative Beurteilung im Zeugnis. Der Schüler K. ist nicht der einzig Betroffene. Im letzten Jahr wurden an 4300 Schüler/innen höherer Schulen 6000 Nicht Genügend vergeben, wobei 2000 Schüler/innen bei den Nachprüfungen durchgefallen sind. Doch die Mutter will die Beurteilung ihres Sohnes nicht einfach hinnehmen, da sie den „Fleck“ nicht gerechtfertigt findet. Nun will sie vom Schulombudsmann wissen, welche Möglichkeiten sie hat und wie sie vorgehen soll.
Gerade zu Schulschluss läuft das Telefon bei Dr. Jakob Gratzer heiß In den letzten Jahren erhielt er rund 35 Anrufe von besorgten Eltern während der letzten beiden Schulwochen, die meisten mit ähnlichen Anliegen. Doch mit der Zunahme der Bekanntheit des Ombudsmannes steigt auch die Zahl der Anrufe. Oft reicht die Zeit am Telefon nicht aus und die Eltern vereinbaren einen Termin für ein persönliches Gespräch mit Gratzer.
Mehr Verständnis
„Die Eltern bräuchten mehr Verständnis, denn viele wollen es oft nicht wahrhaben, dass ihre Kinder selbst für die schlechten Leistungen verantwortlich sind“, berichtet Gratzer. Doch oft tragen die Eltern selbst mit Schuld an der negativen Endnote ihres Kindes. In unzähligen Fällen ziehen sich schlechte Noten schon über das ganze Jahr hin und die Eltern nutzen die Möglichkeit der von den Lehrern angebotenen Sprechstunden nicht, um sich über die Leistungen ihres Kindes genauer zu informieren.
Berufungsverfahren
Als Schulombudsmann ist Dr. J. Gratzer dazu da, die Eltern und Schüler/innen zu beraten und sie eventuell an andere Stellen weiterzuleiten. Dazu meint er: „Wenn die Eltern die negative Beurteilung ihres Kindes nicht einfach hinnehmen wollen, steht ihnen das Rechtsmittel der Berufung beim Landesschulrat zu.“ Beim Berufungsverfahren werden sämtliche Unterlagen wie Schularbeiten, Tests und dergleichen vorgelegt und es wird mit dem Professor des Schülers gesprochen. Alles wird dann von einem Juristen und einem Sachverständigen vom Landesschulrat geprüft.
Die Eltern und Schüler/innen sind dankbar, dass es den Schulombudsmann gibt, da es in den meisten Fällen im Vorfeld zu einigen Missverständnissen im Bezug auf die rechtliche Situation kommt und sie sich bei ihm darüber aufklären lassen können.
Dr. Jakob Gratzer ist unter Tel. 0732/77 20-142 15 oder -143 67 erreichbar.
Das Erste Zeugnis
Eine Chance, kein Urteil
16. 671 Erstklassler werden heuer in Oberösterreich ihr erstes Schulzeugnis bekommen. In den meisten Fällen sind damit noch keine Dramen verbunden. „Dem Zeugnis ihres Erstklasslers fiebern viele Eltern genauso aufgeregt entgegen wie dem ersten Schultag. Verständlich: Sie möchten wissen, ob ihr Kind sich in der Schule gut eingelebt hat. Manche erhoffen sich vielleicht sogar schon eine Prognose, ob ihr Kind später den Sprung auf eine ‚höhere‘ Schule schafft. Doch statt besser informiert fühlen sich viele Eltern durch das erste Zeugnis eher verwirrt“, heißt es im Elternbrief der Abteilung Ehe und Familie („Beziehungleben.at“). Der Grund: die verbale Beurteilung lässt Spielraum offen für viele Interpretationen. Wenn ein Kind als „empfindsam“ beschrieben wird: Heißt das etwa, dass es gut auf andere Kinder eingeht oder sich eher wie eine Mimose verhält?
Fortschritte betonen
„Der positive Ton, in den die Lehrer/innen auch mittelmäßige und schlechte Zeugnisse verpacken, hat Methode. Sie wollen nicht die Mängel, sondern die Fortschritte der Kinder betonen und ihnen so Mut machen für die Zukunft ... die Kehrseite: die freundliche Formulierung verführt zu Missverständnissen, viele Eltern schätzen die Leistungen ihrer Kinder besser ein, als sie tatsächlich sind“, heißt es im Elternbrief. Bei Unklarheiten empfiehlt es sich nachzufragen. Denn, so rät das Team der Elternbriefe: „Das Gespräch mit der Lehrerin ist genauso wichtig wie das Zeugnis selbst! Dabei geht es nämlich um Lehren für die Zukunft: Wie können Lehrerin und Eltern dem Kind gemeinsam beim Lernen helfen? So bleibt das Zeugnis kein Urteil, sondern es wird zu einer neuen Chance.“
Die Elternbriefe gibt es in Österreich seit 1971. Sie werden vierteljährlich versendet und sind kostenlos. Sie umfassen das Lebensalter der Kinder von 0 bis neun Jahren und bieten Eltern wertvolle Unterstützung im Leben mit Kindern.