„Der Teufel hat auf den Pater geschossen, nicht mein Sohn!“
Attentat in Brasilien: Pater Laaber spricht über die Hintergründe
Ausgabe: 2004/34, Brasilien, P. Laaber, Floriano, Attentat,
17.08.2004 - Walter Achleitner
Waren es mehrere Zufälle? „Für mich war es der Schutz Gottes, dass ich noch lebe“, sagt P. Laaber. Im Gespräch mit der Kirchenzeitung berichtet der Missionar, was am 20. Juli in Floriano passiert ist.
„Pötzlich stand er neben mir und hielt die Pistole durch das offene Fenster der Beifahrertür“, erinnert sich Pater Ludwig Laaber. „Ich wollte noch fragen, ob das ein schlechter Scherz sei. Da hat er schon abgedrückt.“ Ein Schuss geht im Mundbereich durch den Kopf, mehrere streifen das Kinn. Als Laaber die rechte Hand schützend vor das Gesicht hält, wird sie von einer Kugel zertrümmert.
Und während er hilfeschreiend aus dem Wagen flüchtet – und dabei das Tor zum Pfarrhaus öffnen will –, drückt der 19-Jährige erneut ab. Der Herz-Jesu-Missionar kann sich zwar nicht erinnern, getroffen worden zu sein. Aber kurz darauf im Krankenhaus stellt sich heraus: der Steckschuss im Unterleib ist lebensbedrohlich.
Kette von „Zufällen“
„Es könnte mir viel schlechter gehen“, scherzt Ludwig Laaber schon wieder im Gespräch mit der Kirchenzeitung. In dieser Woche wird die rechte Hand in Salzburg neuerlich operiert. Noch offen bleibt, ob die durchtrennten Gesichtsnerven wieder hergestellt werden können und in die rechte Wange das Gefühl zurückkehrt. Dass ihm das Atmen durch die Nase noch nicht möglich ist, das ist unüberhörbar, wenn der Pater erzählt. Dabei gibt es so viel zu erzählen. Vor allem von „der Kette an Zufällen, wie das viele nennen, die mein Leben gerettet hat. Für mich war es der Schutz Gottes“, sagt Laaber. „Wäre ich nur ein bisschen weiter unten oder oben im Kopf getroffen worden, es hätte tödlich sein können.“
Größte „Perlen“ der Zufallskette, die den gebürtigen Niederösterreicher aus St. Peter in der Au überleben ließ, waren der Transport und die „exzellente Versorgung“ im Krankenhaus. Denn für gewöhnlich kommt Padre Carlos erst am Nachmittag ins Pfarrhaus. Doch Laabers brasilianischer Mitbruder war an diesem Dienstag schon da. „Wo wir wohnen, hätte es sonst niemanden gegeben, der mich so rasch in das mehrere Kilometer entfernte Krankenhaus hätte bringen können.“
Wie ein Lauffeuer
Im Krankenhaus der nordostbrasilianischen Stadt angekommen, öffnete der beste Chirurg Florianos die Türe: Dr. Salomão – auf dem Weg von der Praxis zum Mittagessen nach Hause – hatte im Spital etwas abgegeben und wollte gehen. Ohne Zeit zu verlieren, der Herz-Jesu-Missionar hatte schon viel Blut verloren, wurde die lebensrettende Operation eingeleitet. Der Spitalsgang war bereits voll von Menschen als der Eingriff begann. Selbst vor dem Krankenhaus beteten und warteten Menschen auf den Ausgang der dreieinhalbstündigen Notoperation. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht vom Attentat auf Padre Ludovico, wie er in Floriano genannt wird, verbreitet.
Und der Täter? „Den kenne ich gut. Er ist unser Nachbar. Seiner Familie haben wir oft geholfen“, erzählt Ludwig Laaber. Nach dem Tod des Vaters – es heißt, er wollte mit dem Teufel telefonieren und habe auf eine Stromleitung gegriffen – hat der Missionar der Witwe und ihren vier Kindern geholfen.
Allerdings wenige Tage vor der Tat hatte der 19-Jährige aus der Gartenmauer des Pfarrhofes einen Wasserhahn herausgedreht. 3000 Liter Trinkwasser, die Laaber den Nachbarn täglich zur Verfügung stellt, sind dadurch ausgelaufen. „Und dann schickte er noch seine Schwester und wollte 15 Reais (4,5 Euro) haben. Ich sagte, er solle selber kommen. Es gäbe genug zu besprechen.“ Tags darauf wartete der Bursch mit der Pistole in der Hand vor dem Tor.
Polizei bisher untätig
Schwer enttäuscht ist Pater Ludwig hingegen von der Ploizei. Und er versteht nicht, warum der Täter bisher nicht verhaftet wurde: weder in den 48 Stunden nach der Tat, noch nach der anschließend erteilten richterlichen Anordnung. Dabei wissen einige, wo er sich versteckt. „Es hieß immer, wir haben ihn nicht gefunden. Ich sage: Die Polizei hat ihn gar nicht gesucht.“ Statt dessen sei sein namensgleicher jüngerer und polizeibekannter Bruder festgenommen und so sehr geprügelt worden, dass er Blut gespuckt habe. „Es war die verrückte Tat eines Burschen, den ich immer für vernünftig gehalten habe.“ Und Laaber schließt jedes politische und wirtschaftliche Motive oder gar einen Auftrag zum Mord an ihm aus.
Ganz anders erklärt es sich die Mutter des Täters. Sie hat Padre Ludovico kurz vor dessen Abreise nach Österreich um ein Gespräch gebeten. Weinend erklärte sie: „Es war nicht mein Sohn der auf den Pater geschossen hat, sondern der Teufel, der in ihn gefahren ist.“ Denn ihre Nachbarin sei eine Macumba-Frau. Die Anhängerin dieser brasilianischen Religion habe einen Fluch über ihren Sohn und die ganze Familie ausgesprochen.