„Wir brauchen eine offene Auseinandersetzung mit dem Islam und der Gesellschaft hier, die nichts beschönigt, aber die zukunftsorientiert diskutiert“, sagte Amir Zaidan. Der Islamologe und Direktor des Religionspädagogischen Instituts in Wien sprach im Bildungszentrum Maximilianhaus (Attnang-Puchheim) über „Missbrauchte Religion: Islam in einer pluralistischen Gesellschaft“. Entgegen starker weltweiter Tendenzen, den Koran wortwörtlich verstehen zu wollen, steht für Zaidan ausßer Frage: „Man darf den Zusammenhang von Texten nie aus den Augen verlieren. Wir brauchen mehr kritischen Umgang mit den Texten. Übrigens hat jede Religion ihre Probleme mit der Mehrdeutigkeit ihrer Schriften.“ Der Referent bedauerte in diesem Zusammenhang, dass es in Europa keine islamisch- theologischen Fakultäten gibt: „Wir können uns vielfach in der deutschen Sprache theologisch noch gar nicht richtig artikulieren.“ Für manche Schlüsselbegriffe des Korans gäbe es noch keine zutreffenden Termini. Als Beispiel führte Zaidan den Gebrauch des Wortes „Ungläubige“ an. Der Koran kennt keine Bezeichnung für Ungläubige, sondern unterscheidet zwischen Muslimen und solchen, die nicht nach der Art des Korans Gott verehren. Aber die Nichtmuslime Ungläubige zu nennen ist durch zahlreiche andere Passagen im Koran nicht gerechtfertigt, so Zaidan. Dass ein friedliches Zusammenleben zwischen Muslimen und Christen möglich ist, steht füt Zaidan außer Frage. In seiner Heimat Syrien hat er im eigenen Dorf nichts anderes als ein freundschaftliches Miteinander erlebt, wo vor allem der Wert der Nachbarschaft hochgehalten wurde. Gerade im europäischen Kulturkreis, der zunehmend mehr von Vereinzelung und Vereinsamung geprägt ist, könnte die Kultur der Nachbarschaft, wie sie in arabischen Ländern gepflegt wird, eine Bereicherung sein. Als Schritte der Integration wünscht sich Zaidan, dass Muslime die deutsche Sprache lernen und dass Transparenz herrscht. Darunter versteht der Islamologe die Öffnung der Moscheen und ganz besonders den Bereich der Schulbücher. Dass es aber bis dorthin noch ein weiter Weg ist, zeigt die Tatsache, dass kein Muslim von den großen Gemeinden in Attnang-Puchheim bei der Veranstaltung war. JW