Ausgabe: 2006/20, Kopf der Woche, Baumgartner, Jochum, Politik, Alternativgipfel, Standards, Menschenrechte
18.05.2006
„Ich verstehe nicht, warum die Politiker nicht mehr auf die Menschen hören, die von ihren Entscheidungen betroffen sind“, sagt Katharina Jochum. Sie bedauert, dass es zwischen dem offiziellen und dem alternativen Lateinamerikagipfel keinen Dialog gab.
HANS BAUMGARTNER
Seit 15 Jahren ist die gelernte Sozialarbeiterin und Übersetzerin Katharina Jochum bei der Dreikönigsaktion in der Projektarbeit für Mittel- und Südamerika tätig. „In dieser Zeit ist die Zahl der Armen weiter angewachsen. Durch die neoliberale, exportorientierte Wirtschaftspolitik kam es zu einer einseitigen Förderung der Agrar-, Forst- und Bergbauindustrie. Viele indigene Völker und Kleinbauern werden dadurch in ihrer Existenz bedroht, ganze Dörfer werden durch fehlende Umweltauflagen verseucht und die Armen können sich die Lebensmittel und die privatisierte Wasserversorgung nicht mehr leisten. Wer unzählige Male Mütter erlebt hat, die nicht wissen, wie sie am nächsten Tag ihre Kinder ernähren, den lässt das nicht mehr los, auch wenn er wieder zu Hause in Europa ist“, sagt Jochum.
Immer wieder habe sie vergangene Woche auf dem „Alternativgipfel“ die eindringliche Mahnung lateinamerikanischer Freunde gehört, ihr müsst auf eure Politiker in Europa Druck machen, nimmt Jochum als Auftrag mit. „Das Modell Europa mit seinen sozialen und ökologischen Standards darf nicht nur bei uns gelten, es muss endlich auch in den Handels- und Entwicklungsverträgen mit Lateinamerika oder Afrika berücksichtigt werden.“ Derzeit aber verfolge die EU eine andere Linie. Deshalb sei es besonders bedauerlich, dass es in Wien zu keinem Dialog zwischen den zwei Gipfeln gekommen sei.
„Die Menschen in unseren Projekten sind für mich trotz der sich verschärfenden Not ein Grund zur Hoffnung: ihr Einsatz für ein besseres Leben, der auch Früchte trägt, die Kraft ihres Glaubens, mit der sie auch die schrecklichen Bürgerkriegswunden versöhnend heilen, und der Mut von vielen Vertretern der Kirche im Kampf für die Rechte der Menschen.“ KATHARINA JOCHUM