Ein 18-Jähriger rechnet mit seinen Schulkollegen ab – und benutzt dazu eine Waffe. Immer wieder ereignen sich Dramen, in denen Gewaltausbrüche in Schulen Menschenleben fordern. Mit Gewalt in den verschiedensten Formen sind Schüler/innen täglich konfrontiert. Viele müssen erst lernen, dass man Konflikte auch ohne Gewalt lösen kann.
Streiten, boxen, kämpfen – und das ohne Ende – ist ziemlich anstrengend. „Streiten gehört zum Leben, man braucht es aber nicht immer“, sagt Barbara Sadic. Die Neunjährige besucht die VS 54 in der Linzer Solarcity. Die Volksschule in der Solarcity will ihre Schüler/innen ermutigen, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Gemeinsam mit ihren Klassenkolleginnen und -kollegen hat Barbara kürzlich an einem Workshop teilgenommen, bei dem es auch ums Streiten ging. Denn Streiten ohne Boxkampf will gelernt sein. „Das ist besonders für die Buben wichtig“, meint Barbara, „denn die schlagen richtig zu!“Lili Katharina Singer-Prodesser (neun Jahre alt) weiß jetzt, was beim Streiten wichtig ist,und erzählt: „Wir haben gelernt, wenn zwei streiten soll man: 1. dazwischengehen, 2. den Streithähnen in die Augen schauen, 3. den Namen sagen und 4. jeder einen Schritt zurückgehen.“ Ihr habe der Workshop geholfen, aber „bei den Buben hilft das nur einen Tag, dann ist wieder alles beim Alten“, sagt Lili.
Respekt haben. Was Streit ist und was nicht, nehmen die Buben und Mädchen unterschiedlich wahr. Der zehnjährige Michael Mayr zum Beispiel findet, „dass seit der dritten Klasse kein richtiger Streit mehr in der Klasse war“. Trotzdem kann er das im Workshop Gelernte „gut brauchen“. Beim Workshop hat er einiges gelernt, zum Beispiel: „Dass wir Respekt vor den Lehrern haben und Grenzen akzeptieren sollen. Wenn zwei streiten, dann dürfen wir sie nicht anfeuern, sondern sollen sie ignorieren. – Die wollen nämlich nur Aufmerksamkeit!“, meint Michael. Mädchen haben andere Strategien, mit Konflikten umzugehen, findet zumindest Michael, der mit zehn Jahren sowohl der Älteste als auch der Kleinste in der Klasse ist. Michael meint: „Die Buben wehren sich gleich, die Mädchen lassen es sich gefallen und nachher gehen sie petzen!“ Marjan Milic ist zehn Jahre und ein Kollege von Michael. „Es war gut, dass wir den Workshop gemacht haben. In unserer Klasse wird schon viel gekämpft“, schließt sich Marjan der Meinung seiner Kolleginnen an. Er wünscht sich, dass in seiner Klasse weniger gestritten wird, und hält sich nach Möglichkeit aus den Kämpfen raus. Damit die Leisen nicht unter die Räder kommen und die Wortgewaltigen nicht alleine das Sagen haben, investiert die Klassenlehrerin Kerstin Eichberger-Sonnberger einiges an Zeit und Kraft. Dass es sich lohnt, zeige sich schon jetzt. „Die Kinder haben irrsinnig viel gelernt. Es gibt Kinder, die überschreiten Grenzen, und andere, die können sich nicht dagegen wehren. Grenzen zu sagen und zu wahren – daran werden wir noch das ganze Jahr miteinander arbeiten. Respekt voreinander zu haben, ist ein wichtiges Thema. Das muss man oft üben.“
Männlich oder weiblich. Um Gewalt in der Schule zu verhindern, muss klar sein, was mit Gewalt gemeint ist. Mädchen, die raufen, sind eher die Ausnahme. Das muss aber nicht heißen, dass Burschen von Haus aus gewalttätiger sind. Während sie Aggressionen in direkter Gewalt – schlagen, beschimpfen – ausleben, neigen Mädchen eher zu indirekten Gewaltformen. Das heißt: Gerüchte verbreiten, ignorieren, aus einer Gruppe ausgrenzen. Wenn Jugendliche gewalttätig werden, sind meist viele Faktoren – biologische, individuelle, familäre, soziale – dafür verantwortlich. Es reicht nicht, etwa einen Gewalt verherrlichenden Film für gewalttätige Ausbrüche verantwortlich zu machen. Das klar zu machen, ist unter anderem Aufgabe von Gewaltprävention. - Info: Kinder- und Jugendanwaltschaft, Mag. Mirjam Lettner, Tel. 0732/77 20-140 04.