Oberkirchenrat Dr. Michael Bünker (links) und Univ.-Prof. Dr. Franz Gruber waren die Referenten des 27. Ökumenischen Theologischen Tages am 29. April 2007 in Linz. Foto: Josef Wallner.
Der Blick in die Medien trügt: Fundamentalismus ist nicht nur ein Phänomen im Islam. Auch in den christlichen Kirchen finden sich fundamentalistische Strömungen und Gruppierungen. Der Ökumenische Theologische Tag in Linz setze sich mit den Herausforderungen des Fundamentalismus auseinander.
Keinen Augenblick ließen die Referenten des Tages einen Zweifel daran, dass sie den Begriff Fundamentalismus nicht als Keule verwenden wollen, die Menschen in eine Ecke drängt und abqualifiziert. „Die moderne Gesellschaft ist eine enorme Herausforderung für den Glauben“, betonte Oberkirchenrat Michael Bünker. Der Pluralismus führt zu einer großen Beliebigkeit. In diesem Klima ist es schwierig Menschen für den Glauben zu gewinnen. „Wir brauchen fundamentale Glaubensüberzeugungen, nur so können wir uns in der pluralen Öffentlichkeit vernehmbar machen“, ist für Bünker selbstverständlich. Die Form, den Wahrheitsanspruch des Glaubens heute in der Gesellschaft zu vertreten, ist aber der Dialog. Und damit haben nicht wenige christliche Gruppen Probleme.
Erblast des 19. Jahrhunderts. Geschichtlich hat der Fundamentalismus seine Wurzeln im 19. Jahrhundert. Er versteht sich als Reaktion auf die entfesselte Wissenschaftsgläubigkeit und die gesellschaftlichen Umbrüche. Stichworte dazu sind die Evolutionstheorie von Charles Darwin sowie das Entstehen der demokratischen Bewegungen und politischen Parteien. Die maßgebliche Antwort der Kirchen war die Ablehnung und der Rückzug in eine Parallelwelt.
Selbstanwendung des Konzils. Die katholische Kirche hat im 2. Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) eine klare Korrektur gegenüber ihren eigenen Positionen des 19. Jahrhunderts vollzogen, erklärt Franz Gruber, Professor für Dogmatik an der KTU Linz. Deutlich zeigt sich das – als herausragendes Beispiel – an der Anerkennung der Menschenrechte. Dadurch ist der Kirche der Anschluss an die moderne Welt und zugleich die Versöhnung mit ihren eigenen biblischen Wurzeln gelungen. „Die Selbstanwendung des Konzils auf die Kirche selbst ist aber noch nicht abgeschlossen, beziehungsweise wurde sie abgebrochen“, diagnostiziert Gruber: Das Lehramt solle fundamentalistische Gruppen der Kirche nicht ausgrenzen, aber einen klare Abgrenzung vermisse er schon, vor allem von jenen Gruppen, die durch Denunziation das Klima vergiften.
Fundamentalismus ist Kleinglaube. Obwohl fundamentalistische Gruppen besonderen Wert auf den Ausweis ihrer Gläubigkeit legen, ist Fundamentalismus eine Form von Kleinglauben, meint Gruber. Der Glaube – in fundamentalistecher Spielart – manifestiert sich in absolut eindeutigen Festlegungen und lässt keinen Platz mehr für die menschliche Antwort. „Glaube heißt je neu erkennen, worin uns der Geist Gottes anspricht und wohin er uns führt.“
Das Konzil ernst nehmen
Kommentar
Der Respekt, mit dem beim Theologischen Tag über fundamentalistische Strömungen in den Kirchen gesprochen wurde, war beeindruckend. Doch gleichzeitig wurde – im Blick auf die katholischen Christen –deutlich: Am 2. Vatikanischen Konzil führt kein Weg vorbei und zwar in einer Form, die sich nicht in den Kompromiss-Nischen des Textes verschanzt, sondern den Geist des Konzils ernst nimmt.
Zur Sache
Fundamentalismus
Univ.-Prof. Dr. Franz Gruber ließ seine Beschreibung des Fundamentalismus nicht im Allgemeinen. Er nannte eine Reihe von Gruppen (die Aufzählung ist nicht vollständig), in denen die theologische Wissenschaft fundamentalistische Elemente findet: die Priesterbruderschaft Pius X., die Priesterbruderschaft St. Petrus, die Initiativkreise katholischer Priester und Laien, die katholische Pfadfinderschaft Europas und das Engelwerk. Von den neuen geistlichen Bewegungen führte er das Opus Dei und das Neokatechumenat an. Gruber legt Wert darauf diese Gruppierungen nicht stigmatisieren zu wollen. Denn gemeinsam ist allen Christen die schwierige Frage, wie man in der modernen Welt den Glauben verkünden kann.
Fundamentalismus als Stachel. Der evangelische Superintendent Gerold Lehner appellierte, die fundamentalistischen Gruppierungen als Stachel im Fleisch eines allzusehr an die Gesellschaft angepassten Christentums zu sehen. „Viele unserer Gemeindemitglieder, die die Kirche mittragen, gehören zu fundamentalistischen Gruppen.“ Kriterium bleibt für Lehner aber, dass sich die evangelikalen Gruppen, die oft fundamentalistisch geprägt sind, nicht dem Gespräch und der Auseinandersetzung in der Kirche entziehen. „Es gilt eine versöhnte Verschiedenheit auszuhalten.“