Mit einem Euro kann ein Kind eine Woche lang essen
Diakon Kamal Tadros über die Lage der Flüchtlinge im Sudan
Ausgabe: 2007/18, Tadros, Flüchtlinge, Sudan, Greussing, Baby Feeding Center, Diakon Kamal Tadros, Sr. Emmanuelle, Rauscher, Johann Rauscher, Strassenkinderprojekt
02.05.2007
- Walter Greussing
Unverändert lebensbedrohlich ist die Lage für rund fünf Millionen Flüchtlinge im Sudan. Seit 20 Jahren kümmert sich Diakon Kamal Tadros um die im eigenen Land Entwurzelten. Vergangene Woche besuchte er Einrichtungen und Pfarren in Österreich, die ihn über das Hilfswerk von Sr. Emmanuelle seit Beginn seiner Arbeit unterstützen.
1983 war im Sudan erneut ein Bürgerkrieg zwischen dem islamisch-arabischen Norden und dem schwarzafrikanischen Süden ausgebrochen. Die kriegerischen Auseinandersetzungen sowie Dürrekatastrophen forderten über 1,5 Millionen Menschenleben. Vier Millionen wurden zur Flucht gezwungen. Rund zwei Millionen haben rund um die Hauptstadt Khartoum Zuflucht gesucht. Immer noch leben viele dieser Flüchtlinge in elenden Camps ohne Infrastruktur. Außerdem drängt die Regierung die Flüchtlinge laufend über den Stadtrand hinaus immer weiter in die Wüste. Für die von der Flucht ohnehin geschwächten Menschen eine Katastrophe, für Kinder viel zu oft ein Todesurteil.
Kein Ende. Trotz des Friedensabkommens zwischen dem Süden und der Zentralregierung im Jänner 2005 hat sich die Lage rund um die Hauptstadt kaum entspannt. Jeden Tag treffen neue Flüchtlinge ein. Kamen sie früher aus dem Süden und später aus den nubischen Bergen, wo Erdöl gefunden wurde (auch die OMV war dort engagiert) und viele Menschen einfach vertrieben wurden, so kommen sie nun aus der Krisenregion Dafur.
Unendliches Elend. Sr. Emmanuelle, die durch ihren Einsatz für die Müllmenschen in Kairo weltweite Bekanntheit erlangte, wird 1985 in den Sudan gerufen. Das Elend, dem sie in den fünf Besuchstagen begegnet, scheint ausweglos. Dennoch beginnt sie ein Hilfswerk aufzubauen. In Diakon Kamal Tadros findet sie einen kongenialen Partner. Der ehemalige Spitzenmanager von Shell Sudan wird zum Manager der Armen und baut das inzwischen auch von der Regierung anerkannte Hilfswerk „Vinzenz von Paul“ auf.
Auf Hilfe angewiesen. „Letztes Jahr konnten wir 120.000 Menschen unterstützen“, berichtete der Diakon vergangene Woche in Ried und Attnang. Kamal Tadros tourte durch Österreich, um vom Fortgang der Hilfsprojekte zu berichten und den Spendern zu danken. „Ich löse das Problem der Ärmsten im Sudan mit euch!“, versichert der 75-Jährige voller Tatendrang. Gebremst werden kann so viel Energie lediglich durch fehlende finanzielle Mittel. Einschüchterungsversuche der Polizei und Todesdrohungen bleiben da wirkungslos. Tadros weiß natürlich, dass er einerseits vorsichtig sein muss und andererseits das Hilfswerk ganz auf die Spenden aus Europa angewiesen ist. Er verdeutlicht, wie sehr jede Münze zählt: „Mit einem einzigen Euro kann ein Kind eine ganze Woche satt werden!“
Hilfe und Hoffnung geben. Es ist erstaunlich, was der Diakon seit 1986 für die Flüchtlinge alles auf die Beine gestellt hat: Das älteste Programm ist eines für Waisen- und Straßenkinder. 200 Kinder leben derzeit in acht Heimen bei Pflegeeltern. Im Laufe der Jahre sind daraus nicht nur Handwerker, sondern ebenso Ärzte und weitere Universitätsabsolvent/innen hervorgegangen. Nicht zuletzt zwölf Priester. Ebenso Ausbildung und medizinische Versorgung erhalten jährlich über 500 Jugendliche auf Farmen. In 18 einfachen Zentren bekommen fast 8000 Kinder im Alter bis zu vier Jahren täglich eine warme Mahlzeit. Denn Unterernährung ist in den Flüchtlingscamps der „Normalzustand“. Wasser bringen nur die Tankwagen des Hilfswerkes. Ferner werden in je zwei festen und mobilen Kliniken jedes Jahr hunderttausende Flüchtlinge und andere bedürftige Menschen medizinisch versorgt sowie über Aids aufgeklärt.
Zur Sache
Oberösterreich hilft
Johann Rauscher, Religionslehrer aus Desselbrunn, unterstützt seit über 20 Jahren Hilfsprojekte im Sudan. Zunächst war es ein Hilfsprojekt von amnesty international für Opfer der Scharia, später Pfarren im Osten des Landes, wo viele Flüchtlinge aus Eritrea leben. Über ein Strassenkinderprojekt lernte er 1987 Diakon Kamal Tadros und seine Arbeit für die Flüchtlinge rund um die Hauptstadt Khartoum kennen. Seit 1994 unterstützt er mit verschiedenen Aktionen dessen Arbeit. In den vergangenen zwei Jahren haben Rauscher und seine Mitstreiter/innen in Sachen Solidarität die Hilfe für die Werke von Diakon Tadros massiv verstärkt. Über 20.000 Euro konnten seither dem „Manager der Armen“ übergeben werden. Im Vorjahr wurde für diese Aktion der Verein „proSudan“ gegründet. Zu Ostern konnte sich eine Gruppe des Vereins von der hervorragenden Arbeit dieses charismatischen Mannes überzeugen.