Vorige Woche in Dortmund. Nächste Woche in Wien. Dazwischen im Bildungshaus Puchberg und im Linzer Ursulinenhof. Der Theologe und Priester Pierre Stutz ist einer der gefragtesten Autoren religiöser Bücher.
KirchenZeitung: Wie haben Sie Zugang zu den Psalmen gefunden? Pierre Stutz: Als Jugendlicher bin ich den Psalmen begegnet. Sie haben mich fasziniert, weil da das ganze Leben in seiner Schönheit und Zerrissenheit zur Sprache kommt. Verschiedene Erfahrungen werden in poetischen Bildern ausgedrückt, das Staunen, die Dankbarkeit und eben auch die Wut und die Empörung. Zugleich hat mich das enge Denkschema von Schwarz-Weiß, Gut-Böse mit angstmachenden Gottesbildern abgestoßen. Bei einem Besuch in Taizé hörte ich dann von Frére Rogerfolgenden Gedanken „Lebe das, was du vom Evangelium begriffen hast und sei es noch so wenig!“ Diese Worte prägen mich bis heute, denn ich muss nicht alles verstehen in der Bibel, sondern ich folge dem, was mich unmittelbar angeht. Zum Leben gehören nicht nur Freude und Vertrauen, sondern auch Schmerz und Auflehnung, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit.
Sind diese „alten“ Gebete für die moderne Welt doch etwas fremd? Ich meine, dass über vielen biblischen Texten stehen müsste: „Kann Ihre Gesundheit gefährden!“ Wir sollten die Bibel nicht nur wörtlichnehmen, sondern vor allem ernst! Es bedeutet, dass wir – wie es in all den Jahrhunderten geschehen ist – mit anderen Menschen und im Hören auf die innere Herzensstimme diese Lebensworte neu deuten.Vieles ist kulturell begrenzt und vieles ist zeitlos, uns für immer schon ins Herz geschrieben. Darum habe ich während zwanzig Jahren alle Psalmen aktualisiert, indem ich alles, was ich erlebt habe, ins Gebet genommen habe.
Was „bringen“ die Psalmen für das Leben? Die Psalmen nehmen uns Menschen als dialogische Wesen ernst. Sie bringen alles, was uns an Hoffnung und Zweifel begegnet, in Dialog mit dem ewigen Du, wie Martin Buber sagt. In der christlichen Mystik habe ich das schweigende Gebet entdeckt, die Kontemplation, das Ruhegebet, wo ich einfach sein darf vor Gott, der schon als Christuskraft in mir ist, als heilender atmender Geist. Zugleich werde ich durch die Psalmen ermutigt, auszudrücken, was mich bewegt. In meinem neuen Buch „Was die Stille erzählt“finden sich meine dialogischen Gebete, die ich während einer dreißigtägigen Schweigezeit geschrieben haben. Sie sind von den Psalmen inspiriert, so wie ich in der spirituellen Begleitung Menschen ermutige, ein geistliches Tagebuch zu schreiben, um sich zurechtzufinden im eigenen Seelenhaus. Ich ermutige zu schreiben, ohne zu denken! Das habe ich bei den Psalmen gelernt.
Wie findet ein Neuling Zugang zu Psalmen? Die Psalmen sind auch in der Literatur durch viele Dichterinnen und Dichter weitergeschrieben worden, es gibt viele Psalm-Aktualisierungen, dies kann ein guter Zugang sein. Wertvolle Unterstützung finden sich beim Katholischen Bibelwerk, das in Kursen immer wieder Zugänge zu biblischen Texten fördert. Zugleich lohnt es sich, selbst das Buch der Psalmen in der Bibel aufzuschlagen, um sich so von jenen Versen finden zu lassen, die mir im Moment eine Lebenshilfe sind, die erzählen von einem liebend-leidenschaftlichen Gott, der all unsere Wege mit uns geht.
Psalmen sind Gebete, sie möchten mit anderen Menschen im Gottesdienst gebetet werden. Das Wissen, dass sie seit Jahrhunderten ohne Unterbrechung so vielen Menschen Halt und Orientierung geben, ist eine Kraft, die wir im Mitbeten erfahren können. Psalmen möchten gesungen werden, getanzt werden, damit wir mit Leib-Geist-Seele beten können!
Einladung
Pierre Stutz inOberösterreich
- Schloss Puchberg. Freitag, 19. Oktober, 19 Uhr, im Bildungshaus Schloss Puchberg, Wels, zum Buch „Der Stimme des Herzens folgen“.
- Ursulinenhof Linz, Montag, 22. Oktober, 19.30 Uhr, im Landeskulturzentrum Ursulinenhof, im Rahmen der „Haltestellen in der Bibel“ zum Thema „Mit den Psalmen zur Lebendigkeit gerufen“.
- Informationen über Pierre Stutz finden Sie unter www.pierrestutz.ch