Ausgabe: 2008/07, Friedl, Ungenach, Arigona, Asyl, Zogaj, Asylpolitik, Plattner, Kirche
15.02.2008 - Paul Stütz
Als Pfarrer muss ich mich für Schwache und Menschen in Not einsetzen.
Turbulente Monate liegen hinter Josef Friedl, Pfarrer von Ungenach, seit er Arigona Zogaj letzten Oktober im Pfarrhof aufnahm. Im KIZ-Gespräch erzählt er, wie es ihm in dieser Zeit persönlich gegangen ist, welche Kritik ihm zu weit geht und was ihm Kraft gibt, weiter zu kämpfen.
Der Mann scheint keine Hektik zu kennen. Ruhig und gelassen sitzt Pfarrer Josef Friedl im Besprechungsraum des Ungenacher Pfarramts. Dabei liegen die anstrengendsten Monate seines Lebens hinter ihm und vielleicht auch noch vor ihm. „Es hat mich überrollt“, sagt der 64-jährige Pfarrer über die Welle der medialen Berichterstattung. Auf Wunsch des Innenministeriums übernahm er im Oktober letzten Jahres die Betreuung der 15-jährigen (mittlerweile 16-jährigen) Arigona Zogaj, die vor der drohenden Abschiebung in den Kosovo untergetaucht war und per Videobotschaft mit Selbstmord gedroht hatte. Der 1400-Einwohner-Ort Ungenach, normalerweise eher beschaulich, war vor allem in diesen Herbsttagen von den Medien belagert und Pfarrer Josef Friedl fast permanent im Rampenlicht. Nur ganz am Anfang aber plagten ihn schlaflose Nächte, sagt Friedl: „Ich hatte in meinem Leben immer schon eine große Standfestigkeit.“ Dennoch: „Ich bin froh, dass mir das nicht mit 40 passiert ist.“ In seinem Alter brauche er nichts mehr zu werden, könnte – wenn er wolle – ja im Herbst mit 65 Jahren in Pension gehen. Auch wenn das noch unsicher ist, das Engagement im Fall Zogaj sieht er als Abschluss seiner Berufslaufbahn: „Irgendwo denke ich mir, das passt zu meiner Lebensgeschichte. Vor ein paar Jahren – zum 60. Geburtstag – hat mich jemand aus der Frauenrunde gefragt, was ich noch tun werde, und da habe ich gesagt: ,Vielleicht mache ich noch mal eine Revolution.‘ Jetzt kann ich sagen: Ich hab schon einiges bewegt. Es ist einiges ins Gespräch gekommen“, sagt Friedl.
Kraft schöpfen, um Hass zu vermeiden. Für die Friedl’sche Ausgeglichenheit ist auch die Waage, die in der Fastenzeit die Ungenacher Pfarrkirche schmückt, ein Symbol. Josef Friedl: „Wie wichtig Gleichgewicht ist, habe ich in der vergangenen Zeit selbst erlebt. Man muss sehr aufpassen, immer wieder Kraft zu sammeln und zu schöpfen. Für mich wäre das Schlimmste, wenn eine solche Situation bei mir zu Hass und Resignation führen würde. Ich kann jedem Menschen frei begegnen – auch dem Innenminister Platter.“ Geholfen hat ihm weiters der große Rückhalt in der Pfarre. Friedl: „Der Pfarrgemeinderat, Männer- und Frauenbewegung und die Ausschüsse, alle haben mich toll unterstützt.“ Den Rücken gestärkt habe ihm außerdem die Diözesanleitung, betont er. Was den Priester besonders freut: Sofort, als bekannt wurde, dass er Arigona Kirchenasyl gewährt, hat sich Bischof Maximilian Aichern mit einem Brief gemeldet und ihn bestärkt. Harte Kritik und üble Gerüchte. Neben aller Befürwortung hat der Ungenacher Pfarrer in den letzten Wochen und Monaten auch harte Kritik einstecken müssen. Sie landete meist in brieflicher Form auf seinem Schreibtisch oder wurde am Telefon ausgedrückt, selten aber hat sie ihm jemand direkt ins Gesicht gesagt. Friedl: „Der Hauptvorwurf war: Ein katholischer Priester kümmert sich um ein muslimisches Mädchen.“ Und: „Viele haben Angst, dass ihnen etwas weggenommen wird.“ Enttäuscht habe ihn die unbarmherzige Haltung, vor allem bei jenen, die in die Kirche gehen und das besonders hervorheben. Friedl: „Ich habe da viele Menschen erlebt, die falsch sind und feig. Wenn dann auch noch fromm dazugekommen ist, war es am ärgsten.“ Für ihn ist klar: „Man kann verschiedene Meinungen haben: Aber als Christ gestehe ich keinem zu, dass er hasst, verleumdet und untergriffig Feindschaft sät.“ Kritik äußert der Pfarrer zudem am Verhalten mancher Politiker. Vor allem auf Bundes- und Bezirksebene hätten sich diese sehr feig verhalten, als Beispiele nennt er Vizekanzler Molterer und Bundeskanzler Gusenbauer. „Die Bundespolitik ist von Umfragen und dem ständigen Schielen nach der Wählergunst bestimmt.“ Ausdrückliche Ausnahmen von der Kritik: Bundespräsident Heinz Fischer sowie die Landespolitiker Landeshauptmann Josef Pühringer, Umweltlandesrat Rudi Anschober und Soziallandesrat Josef Ackerl.
Für das Bleiberecht. Dass sich in puncto Asylpolitik etwas ändern muss, ist Friedl überzeugt: „Sie ist derzeit unmenschlich.“ Er sei dagegen, Menschen abzuschieben, die bereits gut integriert sind, vor allem, wo Kinder betroffen sind, die hier zum ersten Mal Heimat gefunden haben.“ Ich bin für das Bleiberecht für alle, die bereits fünf Jahre hier sind. 3000 Personen sind davon betroffen.“ „Ich möchte an diese Tragödien der Flüchtlingsfamilien – nicht nur der Zogajs – erinnern. Ich kann mir das Pfarrerdasein nicht vorstellen ohne den Einsatz für Schwache, Menschen in Not und in Krisen.“ betont Friedl.
„Ich gebe nicht auf.“ Umso mehr war es ein harter Schlag für Josef Friedl und Arigona Zogaj, als im Dezember von Innenminister Platter verkündet wurde, dass das Mädchen nicht bleiben kann und es nach dem Sommer wieder in den Kosovo muss. Bis dahin will der Pfarrer alles unternehmen, was er kann, um das zu verhindern: „Ich habe nicht resigniert: Ein Innviertler gibt nicht auf.“