Das österreichische Erbrecht entstammt in vielen Teilen der Urfassung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) aus dem Jahr 1811. Ab dem 1. Jänner 2017 treten mit der Erbrechtsreform neue Regelungen in Kraft, die den aktuellen gesellschaftlichen Gegebenheiten angepasst sind.
Ausgabe: 2016/39
27.09.2016 - Dieter Gallistl
Durch die Reform werden die Formulierungen zahlreicher Paragraphen sprachlich angepasst, überholte Bestimmungen abgeschafft und neue Regelungen geschaffen. Im Folgenden sollen einige wesentliche Änderungen überblicksartig vorgestellt werden.
Anrechnung von Pflege
Pflegeleistungen durch nahe Angehörige (z.B. Kinder und deren Ehegatten) werden nunmehr erstmals im Erbrecht berücksichtigt. Die pflegende Person erhält künftig ein gesetzliches Vermächtnis, wenn die Pflege an der verstorbenen Person in den letzten drei Jahren vor dem Tod mindestens sechs Monate in nicht bloß geringfügigem Ausmaß (durchschnittlich ca. mehr als 20 Stunden im Monat) erbracht wurde. Die konkrete Höhe des Pflegevermächtnisses ist von Art, Dauer und Umfang der erbrachten Pflegeleistung abhängig. Für den Nachweis in einem Verlassenschaftsverfahren empfiehlt sich eine fortlaufende Aufzeichnung über diese Pflegeleistungen.
Neue Formalvorschriften
Änderungen gibt es auch bei der Form für Testamente. Fremdhändige, also nicht vom Erblasser handschriftlich verfasste Testamente müssen nach neuem Recht in Gegenwart von drei gleichzeitig anwesenden Zeugen unterschrieben werden. Außerdem muss der Erblasser durch einen eigenhändig geschriebenen Zusatz bekräftigen, dass es sich um seinen letzten Willen handelt. Dies soll Testamente fälschungssicherer machen.
Pflichtteil
Nach dem neuen Erbrecht sind nur noch Nachkommen und Ehegatten oder eingetragene Partner pflichtteilsberechtigt. Als Pflichtteil steht die Hälfte der gesetzlichen Erbquote zu. Eltern und weiteren Vorfahren kommt keine Pflichtteilsberechtigung mehr zu. Ab 1. Jänner 2017 ist es auch möglich, dass die Auszahlung des Pflichtteils in gewissen Fällen, vor allem wenn Familienunternehmen bestehen, gestundet wird. Dies entweder aufgrund einer Anordnung des Verstorbenen oder auf Verlangen des belasteten Erben. Diese Stundung kann grundsätzlich für eine Dauer von fünf Jahren, in Ausnahmefällen auch zehn Jahre, erfolgen.
(Ex-)Partnerschaften
Nach derzeitiger Rechtslage wird ein Testament, das zugunsten des Ehepartners errichtet wurde, nach einer Scheidung nicht automatisch aufgehoben. Es muss (gesondert) widerrufen werden. In Zukunft werden Testamente zugunsten des früheren Ehepartners, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten automatisch aufgehoben, wenn die Ehe, eingetragene Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft aufgelöst wird. Gegenteiliges kann aber im Testament vorgesehen werden. Ab 1. Jänner 2017 kommt Lebensgefährten unter bestimmten Voraussetzungen auch ein (außerordentliches) Erbrecht zu. Gibt es also keine (testamentarischen oder gesetzlichen) Erben, erbt diese Person, wenn sie mit dem Verstorbenen zumindest in den letzten drei Jahren im gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Der Verstorbene darf allerdings zum Zeitpunkt des Todes weder verheiratet noch in einer eingetragenen Partnerschaft gelebt haben.
Juristische Auskunft einholen
Die neuen erbrechtlichen Bestimmungen des ABGB treten grundsätzlich mit 1. Jänner 2017 in Kraft und sind somit dann anzuwenden, wenn der Todesfall nach dem 31. Dezember 2016 eintritt. Zu berücksichtigen ist überdies, dass die europäische Erbrechtsverordnung auf die Rechtsnachfolge von Personen Anwendung findet, die nach dem 17. August 2015 versterben bzw. verstorben sind. Es ist daher dringend zu empfehlen, beizeiten mit einem Rechtsanwalt oder Notar die Wirkungen des neuen Erbrechtes auf bereits getroffene letztwillige Verfügungen und Anordnungen zu besprechen.