Karin Peschka kam mit ihrem neuen Buch in die Auswahl für den Österreichischen Buchpreis, Robert Menasse gewann den Deutschen Buchpreis 2017. Maria Fellinger-Hauer stellt ihre Bücher vor.
Ausgabe: 2017/44
31.10.2017
- Maria Fellinger-Hauer
Autolyse Wien
Auf eher düstere Themen ist man bei Karin Peschka seit ihrem ersten Roman „Watschenmann“ eingestellt. Davon sollte man sich auch diesmal nicht abschrecken lassen. Das dritte Buch der in Eferding aufgewachsenen Autorin trägt den Untertitel „Erzählungen vom Ende“. Es besteht aus vielen kurzen Sequenzen, die alle in der zerstörten, in Trümmern liegenden Stadt Wien spielen. Durch welches Ereignis das geschehen ist, bleibt offen. Es geht um die entscheidende Frage: Was passiert mit den Menschen, wenn das Kaputte zur Norm wird? Global betrachtet, meint die Autorin, sei das gar nicht so ungewöhnlich. Karin Peschka interessiert, wie die übrig gebliebenen Menschen mit dieser Situation umgehen. Suchen sie einander, um sich gegenseitig zu helfen, oder werden sie zu einzelkämpferischen, einander misstrauenden Individuen? Oder sind und handeln Menschen in der Extremsituation ebenso verschieden wie im scheinbar normalen Leben auch? Genau beobachtet und psychologisch stimmig zeichnet Peschka ihre Figuren, ohne sie zu beurteilen. Vielmehr schwingt in der klaren Sprache zuweilen ein ironischer Ton mit. Karin Peschka, Autolyse Wien. Erzählungen vom Ende, Otto Müller, Salzburg 2017, 179 S., ISBN 978-3-7013-1253-5.
Die Hauptstadt
Es geht um die belgische Hauptstadt Brüssel, Sitz des Europäischen Rats und der Europäischen Kommission, die, obwohl nie offiziell dazu ernannt, so doch die heimliche Hauptstadt der Europäischen Union ist. „Die Hauptstadt“ ist der erste Roman über die EU, geschrieben von einem profunden Kenner und bekennenden Europäer. Robert Menasses Roman, für den ihm gerade der Deutsche Buchpreis zuerkannt worden ist, ist ein gewichtiges Projekt. Es geht um große Politik, um die Wirkweise von mächtigen Institutionen, um Bürokratie, Macht und Interessen und die damit verbundenen Konflikte. Doch ebenso geht es um die persönlichen Schicksale und Befindlichkeiten seiner zahlreichen Figuren, die da sind: hohe und weniger bedeutende EU-Beamte wie die ehrgeizige Fenia Xenopoulou, der pedantische Deutsche Kai-Uwe Frigge und der eher farblose Österreicher Martin Susmann, der emeritierte Professor namens Alois Erhart aus Wien, ein Think-Tank-Mitglied und der Auschwitz-Überlebende David de Vriend, ein frommer Auftragsmörder aus Polen und ein kränkelnder Kriminalkomissar. In einer fiktiven Handlung und in zahlreichen Handlungssträngen, die sich über mehrere Generationen und Länder spannen, zeichnet Menasse ein fesselndes, vergnüglich zu lesendes, vielschichtiges Panorama der Europäischen Union, das man unbedingt lesen sollte. Robert Menasse, Die Hauptstadt. Roman, Suhrkamp, Berlin 2017, 459 S., ISBN 978-3-5184-2758-3.