Mit dem Mariendom hat Bischof Franz Joseph Rudigier ein herausragendes Bauwerk geschaffen. Er war auch eine herausragende Persönlichkeit. Da sein Seligsprechungsverfahren einen großen Schritt weitergekommen ist und womöglich zu seinem 200. Geburtstag im Jahr 2011 abgeschlossen sein könnte, erinnert die KirchenZeitung an Leben und Werk dieses bedeutenden Bischofs von Linz.
Er hat einen Ehrenplatz im Mariendom – in „seinem“ Dom. Das Grabdenkmal Bischof Rudigiers unmittelbar neben der Votivkapelle, die als erster Teil des Doms fertiggestellt werden konnte, bringt seine Bedeutung für Österreichs größte Kirche und die Diözese Linz unübersehbar zum Ausdruck. Der Dombau ist sein Lebenswerk, aber ebenso sehr der „Bau“ an der damals jungen Diözese Linz. Im Jahre 1885 aus unterschiedlichen Regionen gegründet, schaffte er es, diesem Konglomerat eine Identität als Diözese – kraft seines Einsatzes und seiner Persönlichkeit – zu geben. Franz Joseph Rudigier wurde am 7. April 1811 in Partenen (Vorarlberg) als neuntes und jüngstes Kind einer armen Familie geboren. Mit Hilfe seines älteren Bruders, der bereits Priester war, konnte der begabte Franz Joseph in Innsbruck das Gymnasium besuchen. Er wurde 1835 zum Priester geweiht. In Brixen lehrte er Kirchenrecht und Kirchengeschichte, ehe 1845 die Berufung zum Spiritual am Priesterbildungsinstitut St. Augustin in Wien folgte. Mit dieser Aufgabe war die Stelle des Hofkaplans verbunden. Das brachte ihn in Kontakt zum Kaiserhaus, auch mit dem späteren Kaiser Franz Joseph I., der ihn 1852 zum Bischof von Linz ernannte.
Der Seelsorge-Bischof. Der 42-jährige Bischof Rudigier widmete sich in den ersten Jahren ganz der Seelsorge. Einen Schwerpunkt legte er dabei auf die Förderung der Ordensgemeinschaften. Er holte Männer- und Frauengemeinschaften in die Diözese, gründete die Marienschwestern vom Karmel – in den 31 Jahren seiner Amtszeit ist ein Netz von 66 neuen Ordensniederlassungen entstanden. Insgesamt 835 Pfarrvisitationen hat er vorgenommen und 48 Hirtenschreiben erlassen. In Bischof Rudigiers persönlicher Spiritualität fällt die intensive Beschäftigung mit der Bibel auf. Auf seinem noch erhaltenen Stehpult, auf dem er an die 15.000 Briefe sowie zahlreiche Reden und Ansprachen verfasste, lag immer die aufgeschlagene Heilige Schrift. Jeden Tag las er darin sechs Kapitel, drei am Morgen, drei am Abend. So hat er im Laufe seines Lebens dreißig Mal das Alte und Neue Testament durchgearbeitet. Eine besondere Beziehung hatte er auch zum Rosenkranz. „Das ist meine Erholung“ sagte er. Seine Marienfrömmigkeit zeigt sich aber besonders im Neuen Dom, dem er der Unbefleckten Empfängnis Mariens weihte.
Der Dom – ein Projekt des Vertrauens. Zwei Jahre nach seinem Amtsantritt – im Jahr 1855 – rief Bischof Rudigier zum Bau eines neuen Domes auf, der den Alten Dom, die heutige Ignatiuskirche, ablösen sollte. Er wollte der Diözese mit dem zur damaligen Zeit größtem Kirchenbau Europas ein geistiges Zentrum geben. Beauftragt wurde mit dem Projekt der Kölner Dombaumeister Vinzenz Statz. Die Erstellung der Pläne hat ihm vermutlich weniger Kopfzerbrechen bereitet als die Vorgabe des Bischofs, den Bau 1862 ohne Kostenvoranschlag zu beginnen. Er sollte der „Dom der Leute“ und ausschließlich aus Spenden der Gläubigen errichtet werden. Soviel Geld zur Verfügung stand, soweit konnte gebaut werden. Der „Marienpfennig“, die kleinste Spende von einfachen Menschen gegeben, war ihm die wertvollste Gabe, wissen Zeitgenossen zu berichten. Der Bischof hatte sich in seinen Gläubigen nicht getäuscht: Der Dombauverein hatte in seiner Blütezeit bis zu 100.000 Mitglieder. In beeindruckender Weise vereinigte Bischof Rudigier beides: Gottvertrauen und Vertrauen in die Katholiken seiner Diözese. Auch wenn er zu seinen Lebzeiten bloß die Votivkapelle des Doms einweihen konnte und bei seinem Tod nicht einmal die Hälfte des Gotteshauses errichtet war, wurde seine Vision Realität: Der Mariendom ist heute die sichtbare Mitte der Diözese. Nach 62-jährigen Bauzeit wurde Österreichs größte Kirche vollendet.
Im Polit-Dschungel. Es mag verwundern: Zum Volksbischof wurde Rudigier nicht durch den Dombau, sondern durch seinen politischen Einsatz. Als Mitglied des Oberösterreichischen Landtags kämpfte er jahrelang gegen die liberale Mehrheitsfraktion. Die Lage eskalierte, als im Mai 1868 Gesetze erlassen wurden, die das der Kirche sehr entgegenkommende gültige Konkordat, in wichtigen Punkten defacto außer Kraft setzten. Durch die „Maigesetze“ wurden Schule und Ehe weithin der Kompetenz der Kirche entzogen. Dagegen wollte Bischof Rudigier mit einem Hirtenbrief reagieren, der aber beschlagnahmt und eingestampft wurde. Angeklagt des „Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe“ lud man den Bischof vor Gericht, der erschien aber nicht. So wurde er von Bürgermeister in einer Kutsche zum Landesgericht gebracht. Doch entlang der Straßen hatte sich einen Menschenmenge versammelt, die dem Bischof zujubelte. Kurze Zeit später wurde Rudigier in einer Gerichtsverhandlung, bei der er nicht anwesend war, zu zwei Wochen Kerker verurteilt, tags darauf aber von Kaiser Franz Joseph I. wieder begnadigt.
„Organisation“ der Katholiken. Um gegen den Liberalismus kämpfen zu können, organisierte Bischof Rudigier die Katholiken im katholischen Volksverein, gründete die Tageszeitung „Das Volksblatt“ und den katholischen Pressverein. So sehr die von ihm gegründeten Organisationen in Folge die Katholiken befähigten, politisch aktiv sein zu können – und darin liegt sein großes Verdienst – in der Auseinandersetzung mit dem Liberalismus schoss er übers Ziel. Da waren sich bei aller Wertschätzung selbst seine unmittelbaren Nachfolger einig, die mühsam Wege aus manchen Sackgassen suchen mussten, in die sie Rudigier zum Teil geführt hatte. Mit einer strikten Ablehnung einer Trennung von Kirche und Staat hat Bischof Rudigier ein schweres Erbe hinterlassen. „Man darf nicht den kämpferischen Stil auf beiden Seiten übersehen“, betont der Kirchenhistoriker Univ.Prof. Dr. Rudolf Zinnhobler: „Doch es wäre falsch, da etwas zu glätten“. Der Kirchengeschichtler Dr. Helmut Wagner wird noch deutlicher: „Rudigier hat entschieden, die Kirche in Abgrenzung zur Moderne zu positionieren und in der Zeit der Verbindung von Thron und Altar festzuschreiben. Dieses Versperren gegen die Moderne ist ein Stück der Tragödie der Kirche des 19. und 20. Jahrhunderts. Bischof Rudigier war bei weitem nicht der einzige, der so agiert hat, aber er hat damit eben seinen Teil zu dieser Tragödie beigetragen“. Erst im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 1965) hat die Kirche lehramtlich ein positives Verhältnis zur „Welt“ gefunden. Kaiser Franz Joseph I. beurteilt das Wirken des Bischofs verständlicherweise anders: „Er war ein guter Bischof, wenn auch kein kommoder.“