Exklusiv: Die Zeitzeugin Irmgard Kurzwernhart erzählt der KirchenZeitung von ihren Erinnerungen an Dr. Johann Gruber
Ausgabe: 2009/44, Dr. Gruber, Kurzwernhart, Erinnerung, NS-Martyrer, Nöbauer
28.10.2009 - Josef Wallner
Als die KirchenZeitung in Nr. 42 über den Priester und NS-Martyrer „Papa Gruber“ berichtete, meldete sich Irmgard Kurzwernhart in der Redaktion: Sie hat Dr. Gruber persönlich gekannt. Sie weiß auch über den mysteriösen „verlorenen Brief“ Bescheid.
Der Vater von Irmgard Nöbauer, wie Oberschulrat Kurzwernhart vor ihrer Heirat hieß, war in den 1930-Jahren Stadtschulinspektor von Linz. So ist es nicht außergewöhnlich, dass Johann Gruber, Professor für Geschichte, Geografie und Religion an verschiedenen Linzer Schulen, mit ihrem Vater Hans Nöbauer in Kontakt kam. Dr. Gruber hat die Eltern immer wieder einmal besucht, erinnert sich die 1923 geborene Irmgard. „Er war ein lustiger und aufgeschlossener Geistlicher. Er hat sich von den anderen Priestern abgehoben.“ Zu seinem Äußeren meint sie lächelnd: „Er hat gerne gegessen und war ein Dickerl.“ Dass er bei der Jugend sehr beliebt war, weiß sie auch von ihrem späteren Mann, der Gruber als „flotten Burschen und und sehr offenen Geschichtsprofessor“ beschrieb.
Nazis konstruierten Delikte. Die Familie Nöbauer besuchte bei Gruber den Sonntagsgottesdienst, wenn er in der Linzer Herz-Jesu-Kirche die 10-Uhr-Messe feierte. Sonst ging die Familie zu dem Jesuiten P. Tappeiner in den Alten Dom. Hans Nöbauer wurde bereits am 14. März 1938 von den Nationalsozialisten verhaftet. Gruber kurz darauf. Dass in ihrem Umfeld über die angeblichen sittlichen Vergehen geredet wurde, derer Gruber angeklagt war, kann sich die damalige Gymnasiastin Irmgard nicht erinnern: „Für alle war klar: Er stand wegen seiner Nazi-Gegnerschaft vor Gericht. Die Nazis haben für jeden das passende Delikt konstruiert. Gruber und sittliche Vergehen – das ist völlig absurd.“
Der verlorene Brief. Durch Zufall war die Mutter von Irmgard Nöbauer mit Pauline Spindler in Kontakt, die eine Schlüsselfigur im Fall Gruber war. Sie machte für Gruber die riskanten Botendienste zwischen Linz und dem KZ Gusen. Die beiden Frauen tuschelten oft und Irmgard hörte mit großen Ohren zu: Es ging um Gruber und dabei fiel immer auch der Name Dr. Schütz, ein Freund Grubers. Schütz war Jurist, führte aber die Fleischerei seiner Familie. Nach dem Krieg war er jahrelang Präsident der Oö. Handelskammer. Pauline Spindler hat Fleischpakete von Schütz ins KZ gebracht, mit denen SS-Leute bestochen wurden, vermutet Kurzwernhart: „Fleisch war so wertvoll wie Gold.“ Dr. Schütz war auch der Adressat jenes unglückseligen Briefes von Dr. Gruber, der in weiterer Folge der Gestapo in die Hände fiel und im April 1944 das Ende von Dr. Gruber bedeutete. Irmgard Kurzwernhart war Zeugin: „Frau Spindler ist völlig aufgelöst zu meiner Mutter gekommen. Sie muss einen Brief von Gruber verloren haben, vermutlich in der Straßenbahn ausgestreut, erzählte sie weinend. Sie hat sich sehr schuldig gefühlt“. Da Spindler nicht nur hastig gesprochen, sondern auch sonst eine hektische und zerfahrene Frau war, passt das Ausstreuen eines Briefes gut in das Erscheinungsbild von Frau Spindler, betont Irmgard Kurzwernhart. Das war für lange Jahre das letzte Mal, dass – so die Erinnerung – in der Familie Nöbauer über Dr. Gruber gesprochen wurde.
Ein Martyrer. Erst als Irmgard Kurzwernhart mit ihrem Mann und Lehrerkollegen das KZ Mauthausen besucht, stößt sie in der Ausstellung auf das Schicksal Dr. Grubers. So einen großen Menschen habe ich gekannt, durchzuckt es sie, und seither sammelt sie jeden Zeitungsartikel, den sie finden kann: „Für mich ist Dr. Gruber ein Martyrer. Er hat sein Leben für die anderen gegeben. Er hat sich die Seligsprechung wirklich verdient.“