Die syrischen Flüchtlingskinder wachsen im Libanon zu einer verlorenen Generation heran, wenn es nicht gelingt, für sie einen geregelten Unterricht zu organisieren. Die Schule St. Vinzenz der Barmherzigen Schwestern geht mit gutem Beispiel voran.
Ausgabe: 2017/02
10.01.2017 - Josef Wallner
„Die Eltern unserer Schüler waren keineswegs begeistert, als sie gehört haben, dass wir vermehrt syrische Kinder aufnehmen“, erzählt Sr. Zahia Frangie. St. Vinzenz in Broumana ist eine katholische Privatschule im Libanongebirge: Sie war immer schon offen für Schüler/innen aus armen Verhältnissen, für Christen und Muslime und für Kinder von Migrantinnen. Als Haushaltsgehilfinnen aus Afrika und Asien sind diese ins Land gekommen und zumeist völlig rechtlos.
Als die Schwestern aber planten, ihre Tore für Dutzende syrische Kinder zu öffnen, regte sich Widerstand. Schließlich konnten Sozialarbeiterinnen, die die Schwestern ausschickten, die Eltern überzeugen: Es ist besser, die Kinder der Syrer von der Straße zu holen, als dass sie sich auf der Straße herumtreiben, stehlen, später ins Drogenmilieu abgleiten und Ähnliches mehr. Von den 360 Schüler/innen sind inzwischen 117 aus Syrien. Mit Ergebnissen, die die Schwestern und ihr Pädagogenteam stolz machen. Der beste Schüler von St. Vinzenz ist ein syrisches Flüchtlingskind: Laith. Der Bub ist mit zwölf Jahren vor den Kämpfen aus Aleppo geflohen. Obwohl er damals vor drei Jahren kein Wort Französisch sprach – hier eine Unterrichtssprache –, hat er sich mit enormem Fleiß an die Spitze gearbeitet: „Ingenieur möchte ich einmal werden“, sagt er überzeugt.
Seit die Flüchtlingskinder in St. Vinzenz sind, wurde das Freizeitangebot deutlich ausgeweitet, um den vom Krieg geschädigten Schüler/innen Hilfe zur Bewältigung ihrer traumatischen Erfahrungen zu geben. „Davon profitieren aber auch unsere libanesischen Kinder“, sagt Sr. Zahia: „Wichtig ist, für beide Gruppen etwas zu zu tun. Nur so wird unser Einsatz verstanden.“ Sie sieht im Engagement für die Flüchtlinge die Verwirklichung ihres Ordensauftrags: „Als Barmherzige Schwestern sind wir zu den Armen gesandt.“
Hilfe aus Österreich
Ohne finanzielle Unterstützung, die Stefan Maier, der österreichische Caritas-Koordinator für den Nahen Osten, jährlich auf die Beine stellt, wäre das Projekt nicht umzusetzen. Es soll aber anderen Schulen Mut machen: „Wir würden uns natürlich wünschen, dass der Funke noch weit mehr als bisher auf andere Schulen überspringt.“ «
Zur Sache
„Haben Sie gehört, dass Saudi-Arabien auch nur einen einzigen Flüchtling aus Syrien aufgenommen hat?“, fragt Paul Karam. Der Priester und Präsident der Caritas Libanon ist täglich mit den Herausforderungen konfrontiert und befasst, die die fast zwei Millionen Flüchtlinge in dem kleinen Staat mit sich bringen. Der Libanon ist etwas kleiner als Oberösterreich und hat selbst 4,5 Millionen Einwohner.
Libanon fühlt sich alleingelassen
Verständlich, dass die Libanesen an der Grenze der Belastbarkeit sind – in wirtschaftlicher Hinsicht und vom gesellschaftlichen Klima her. Von 1976 bis 2005 beutete Syrien als Besatzungsmacht den Libanon aus, sechs Jahre später suchen zwei Millionen Syrer bei den Libanesen Hilfe. Dass sie trotz allem Unterstützung erhalten, kann den Menschen des Landes gar nicht hoch genug angerechnet werden, wo doch 1,1 Millionen Libanesen selbst unter der Armutsgrenze leben. Der Libanon fühlt sich von der Staatengemeinschaft alleingelassen: „Stoppt die Waffenlieferungen“, appelliert Karam: „Wir brauchen stattdessen Hilfe.“