Am Ablass hat sich die Reformation entzündet, nicht weniger umstritten war aber das Stiftungswesen. Der Eferdinger Peter M. F. Vogl hat das Phänomen in seiner Heimatstadt untersucht und ist auf unerwartete Ergebnisse gestoßen.
Ausgabe: 03/2017
17.01.2017 - Josef Wallner
Heute sind Stiftungen vor allem als Möglichkeit bekannt, größere Vermögen legal, aber steuerschonend anzulegen. Im Spätmittelalter blühte ein anderes Stiftungswesen. In dessen Zentrum stand das Seelenheil, die Sorge gläubiger Menschen – unabhängig ob reich oder arm – um einen sicheren Platz im Himmel. Und das funktionierte so: Man stiftete Grundstücke, Häuser, Erträge von Feldern oder verfügte, dass die Erben jährlich einen Geldbetrag an die Kirche zu zahlen hatten. Das Phänomen Stiftungen ist sehr vielschichtig und nicht auf einen einfachen Nenner zu bringen. Im Mittelpunkt standen aber tägliche oder jährliche Messen, die ein aus dem Stiftungskapital bezahlter Priester für das Seelenheil der Stifter zu lesen hatte. Gleichzeitig war mit der Sorge um das Jenseits auch ein irdischer Zweck verbunden: Man wollte sich ein bleibendes Andenken auf Erden schaffen. Darum waren Stiftungen auch für alle Zeit gültig. Ein weiteres Stiftungsmotiv war die Caritas, das sich in der Gründung von Spitälern und Versorgung von Armen zeigte. So notwendig diese Einrichtungen für das Sozialssystem einer Stadt waren, der endgültige Zweck bestand aber doch darin, dass die Stifter sich die Tür zum Himmel aufschließen.
Stiftungsstadt Eferding
Eferding ist eine Stadt, in der das Stiftungswesen besonders ausgeprägt war und bis heute im Stadtbild seine Spuren hinterlassen hat. Ehemalige Benefizienhäuser sind Zeugen dieser Vergangenheit. Peter Vogl, Professor für Deutsch und Geschichte am Stiftsgymnasium Wilhering, hat über die Stiftungen in seiner Heimatstadt eine Dissertation verfasst, die nun als Buch erschienen ist. Mit der Verbreitung der Fegefeuer-Lehre haben ab Mitte des 14. Jahrhunderts die Stiftungen exploionsartig zugenommen, erklärt Peter Vogl. Die größte und bedeutendste Stiftung der Stadt war die Eferdinger Spitalskirche mit dem Schiferschen Erbstift. Anfang des 14. Jahrhunderts gegründet wuchs die Einrichtung zu einem großen Spital heran, das zwölf Kranke aufnehmen konnte und in dem zudem mittellosen Menschen die Pflege anvertraut war. Weitere Betten standen für Reisende zur Verfügung. Mehrere Priester waren allein an der Spitalskirche angestellt, die allesamt aus dem Stiftungskapital finanziert wurden. Vogl resümiert: Das Spital war so gut dotiert, dass es zu den reichsten im Gebiet des heutigen Oberösterreich gezählt werden konnte. Neben dem Pfarrer waren der Stadtpfarrkirche auch weitere Priester zugeordnet, die aus Stiftungen finanziert wurden.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts waren in Eferding insgesamt 14 Priester tätig, erklärt Vogl. Über deren Aufgaben, die über die Messverpflichtung hinausgehen, weiß man kaum etwas. Aber die Zahl allein ist beeindruckend. Zu den goßen Stiftungen, die für den Unterhalt der Spitäler und die Anstellung von Geistlichen sorgten, kam noch die große Zahl „kleiner“ Mess-Stiftungen, durch die das ewige Licht, Kerzen und der Erhalt der Eferdinger Pfarrkirche finanziert wurden.
Reformatoren nutzen Stiftungen
Für die Reformation war das Stiftungswesen aus theologischer Sicht ein Unding. Stiftungen standen in völligem Gegensatz zur unverdienten Gnade und Barmherzigkeit Gottes, die die zentrale Botschaft Luthers und der Reformation darstellen. Stiftungen sind von dieser Sichtweise her für den Menschen gefährlich, weil er sein Vertrauen eben nicht auf Gott allein setzt, sondern auf das eigene Tun, skizziert Gerold Lehner, Superintendent der evangelischen Kirche Oberösterreich, die Problematik aus reformatorischer Sicht. Tatsächlich sind die „kleinen Stiftungen“ in Eferding zusammengebrochen, als Mitte des 16. Jahrhunderts ein evangelischer Pfarrer die Seelsorge in Eferding übernahm. Sonderbarerweise aber nicht die „großen“ Stiftungen. Die Dotationen mussten keine wesentlichen Einbußen hinnehmen. Die Erträge wurden weiterhin für das Spital und die Bezahlung von Pfarrern verwendet, deren Zahl aber radikal reduziert. Dass die Stiftungen finanziell intakt blieben, ist ein interessantes Ergebnis von Vogls Forschungen. Nachdem wieder katholische Pfarrer in Eferding eingezogen waren, nahmen die kleinen Stiftungen einen enormen Aufschwung, die Zahl der Priester an den großen Benefizien blieb aber deutlich niedriger als zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Im Zuge der Aufklärung beschnitt Kaiser Joseph II. (1780-1790) das Stiftungswesen. In Eferding erhielten sich manche der großen Stiftungen bis ins 20. Jahrhundert, hatten aber ihre ursprünglich für Kirche und Gesellschaft gestaltende Kraft verloren. «
Zur Sache
Gang durch Eferding
Peter Vogl hat eine wissenschaftliche Studie über das Stiftungswesen in Eferding verfasst. Das umfangreiche Werk zeigt, wie sehr die Stadt durch das Stiftungswesen geprägt ist. Eine Reihe von Häusern im Zentrum führt sich auf Stiftungen zurück. So bestanden die Michaels- und die Andreasstiftung (Benefizium), die zur Stadtpfarrkirche gehörten, bis Mitte der 1970er Jahre und dienten zum Teil Priestern als Wohnung. „Fromme Stiftungen“ zu errichten, die auch mit Messverpflichtungen verbunden sind, ist in der katholischen Kirche nach wie vor möglich. Das Kirchenrecht macht dafür aber äußerst strikte Vorgaben.
Peter Michael Franz Vogl, „Zu hayl und trost mein […] und sonderlich aller glaubigen seelen“. Stiftungen in Eferding vom Mittelalter bis in die josephinische Zeit: Wagner Verlag, Linz 2016, 386 Seiten, € 39,50.