Drei Autor/innen – drei nominierte Bücher: „Klartraum“ von Olga Flor und „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“ von Paulus Hochgatterer sind für den österreichischen Buchpreis nominiert. „Flugschnee“ von Birgit Müller-Wiegand ist unter den 20 Titeln der Longlist des Deutschen Buchpreises.
Ausgabe: 2017/38
20.09.2017
- Maria Fellinger-Hauer
Flugschnee
Der Roman der in Oberösterreich geborenen und in München lebenden Autorin erzählt die Geschichte zweier Familien in einem zeitlichen Abstand von drei Generationen. Es geht um eine Familie, die mit dem plötzlichen Verschwinden des Sohnes Simon eine schwere emotionale Erschütterung erlebt. Besonders Simons Schwester, die Studentin Lucy, wird durch das Ereignis aus der Bahn geworfen. In einem imaginären Zwiegespräch mit Simon will sie den Gründen für sein Verschwinden auf die Spur kommen und gerät damit immer stärker in den Bann ihrer Kindheitserinnerungen im Haus der Großeltern in Hamburg, wo jedes Jahr gemeinsam Weihnachten gefeiert wurde. Abwechselnd und auf zwei Zeitebenen kommen auch die anderen Familienmitglieder zu Wort. Und so entfaltet sich nach und nach ein Beziehungsgeflecht, das stückchenweise geheimgehaltene, entscheidende Wegmarken der Familiengeschichte enthüllt. Vielschichtig und bis zur letzten Seite spannend erzählt die Autorin von Ereignissen und Verstrickungen, die über Generationen wirksam und prägend sind. Das titelgebende Leitmotiv ist der Schnee im winterlichen Hamburg, der einerseits alles zudeckt, andererseits eine latente Gefahr für die Dachbalken des großelterlichen Hauses darstellt. Birgit Müller-Wieland, Flugschnee, Otto Müller, Salzburg, 2017, 343 S., ISBN 978-3-7013-1248-1.
Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war
Die letzten Kriegsmonate auf einem Bauernhof im niederösterreichischen Mostviertel sind Schauplatz der Erzählung von Paulus Hochgatterer. Nelli, ein 13-jähriges Mädchen, ausgebombt, verwaist und offensichtlich ohne Erinnerung, wird von der Großfamilie in Pflege genommen. Kurz darauf kommt ein junger Russe, aus deutscher Gefangenschaft geflohen, auf den Hof und noch einige Zeit später eine Gruppe auf dem Rückzug befindlicher Wehrmachtssoldaten. Hochgatterer erzählt die Geschichte, die sich aus diesem Zusammentreffen ergibt, aus der Perspektive des Mädchens. Er macht sich nicht zum Erfinder der Vergangenheit, der zu wissen vorgibt, wie es gewesen ist. Er schreibt, wie es gewesen sein könnte, und lässt dadurch vieles offen. 110 Seiten, die einen in ihren Bann ziehen. Weniger der Fakten wegen, die sich wahrscheinlich des Öfteren so oder so ähnlich zugetragen haben, sondern wegen der speziellen literarischen Qualität der Erzählung.
Paulus Hochgatterer, Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war, Deuticke, Wien, 2017. 110 S., ISBN 978-3-552-06349-5.
Klartraum
„Klarträume sind solche Träume, in denen man völlige Klarheit darüber besitzt, dass man träumt und nach eigenem Entschluss handeln kann“, so formuliert der deutsche Klartraumforscher Paul Tholey, was Olga Flors Protagonistin „P“ über 280 Seiten wortgewaltig und perspektivenreich tut. Ihr Thema ist die Liebe. Die Liebe der Protagonistin zu „A“, dem Allergeliebtesten, dem Gegenspieler, dem Kampfpartner. Es geht um Lust, um Verlust, um Möglichkeit, um Glück, um Konflikt und ein bisschen auch um Komik. So sind die einzelnen Kapitel übertitelt und durchnummeriert. Das Glück überwiegt, doch auch der Verlust braucht 13 Kapitel. So scheint das zu sein mit der Liebe unter heutigen Bedingungen der Ökonomisierung des ganzen Lebens. Das Handeln nach eigenem Entschluss bleibt eine Möglichkeit. Ein Konjunktiv eben. Wie das mit der Liebe wahrscheinlich immer schon ist. Ein furioses Buch, herausfordernd und offensiv und desillusionierend. «
Olga Flor, Klartraum, Jung und Jung, Wien-Salzburg, 2017, 281 S., ISBN 978-3-99027-096-7.