„Es war die schönste Zeit in meinem Leben.“ – Das bekommt das Team der Palliativstation im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz dann und wann auch zu hören. „Das ist eine Auszeichnung für uns“, sagt deren Leiter Dr. Johann Zoidl: „Aber es schreckt mich auch.“ – Wie mag das Leben dieser Menschen gewesen sein, die im fortgeschrittenen Stadium ihrer Krankheit, wenn Behandlung auf Heilung nicht mehr sinnvoll ist, solches sagen?
Noch einmal so eine Nacht wie die letzte, das halte ich nicht aus!“ – Markus Füreder, Patient auf der Palliativstation des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern in Linz, klagt am Morgen einer durchlittenen Nacht seinem Pfleger Bernhard Kapeller die unerträglichen Schmerzen. Seit Monaten ist Füreder diesen ausgeliefert. Zwei Tage später aber ist er wie ausgewechselt. Das Team der Palliativstation um Dr. Zoidl erleichtert ihm endlich das Leben. In dem Krankenhaus, in dem er vorher lange war, habe man die Schmerzmittel-Dosis erhöht und erhöht, geändert aber habe sich nichts.
Angst der Medizin. „Es macht in der Medizin auch Angst“, sagt Oberarzt Dr. Johann Zoidl, der die Palliativstation im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern leitet, „wenn wir einerseits wissen, dass die Leute sterben, andererseits möchten wir als Heilende dastehen.“ In der Palliativstation hat Heilung oft eine andere Dimension: Es geht darum, das schwer gewordene Leben zu verbessern: Schmerzen lindern, die Patienten psychisch betreuen und spirituell begleiten, auch die psychosozialen Gesichtspunkte sehen – die Angehörigen miteinbinden.
Grenzen der Medizin. Um dieses Bewusstsein über die Grenzen von Medizin zu verbreiten, ist es Dr. Zoidl wichtig, im Krankenhaus sichtbar zu sein, auf andere Stationen zu kommen, Wissen weiterzugeben und die dortigen Teams in problematischen Situationen zu unterstützen. Der Arzt kann an Grenzen kommen: „Ich weiß, dass ich nicht heilen kann, aber ich kann helfen!“
Vom Schmerz wegkommen. „Sie wirken sehr entspannt“, sagt Dr. Zoidl zu Markus Füreder. Dieser tätschelt dem Arzt die Hand; sein Zeichen tiefer Dankbarkeit. „Da sind alle super“, sagt Füreder. „Ich weiß, ich reiß keine Bäume mehr aus, aber ich fühl mich echt wohl.“ Zoidl und Pfleger Kapeller wissen, die Schmerzen können wiederkommen. Füreder hofft, es nicht wieder durchmachen zu müssen. „Ich habe noch viel vor und ich hoffe, noch zehn Jahre verlängern zu können.“ „Schmerzmittel alleine sind nicht alles“, sagt Dr. Zoidl. „Es braucht auch noch etwas anderes: Wie geht der Patient mit dem Schmerz um? Denkt er daran, dass der Schmerz kommt, aber auch wieder vergeht?“ Bernhard Kapeller sieht es in der Akutphase als seine Aufgabe an, vom Thema Schmerz wegzukommen. Ein Ziel ist es auch, wieder miteinander lachen zu können. „Da haben’S schon Recht“, sagt Markus Füreder.
Bezugspflege. Die Palliativstation bei den Barmherzigen Schwestern in Linz wurde – eine Ordensinitiative – im Jahr 2000 eröffnet, zwei Jahre zuvor wurde schon bei den Schwestern in Ried die erste Palliativstation in Oberösterreich errichtet. – Damals war der Integrations-Gedanke im Krankenhaus noch nicht sehr ausgeprägt. Bei „Palliativstation“ denken viele: Endstation. Oder: Die Medizin muss doch alles ihr Mögliche tun. Dr. Zoidl und Pfleger Kapeller haben andere Einsichten: „Man muss die Grenzen der Medizin akzeptieren. Es ist zu fragen: Was hilft dem Menschen jetzt!“ Mit solchem Helfen können etwa 40 Prozent der Patienten wieder nach Hause entlassen werden. Viele blühen am Lebensende noch einmal auf – bei der Maltherapie oder bei Massagen. Jüngst wurde eine Frau aufgenommen. Auf die Frage, was ihr Gutes getan werden kann, wünschte sie sich eine Fußpflege. – Ihre Verwandten staunten dann über die lackierten Zehennägel. – In der Palliativstation gehen die Uhren ein wenig anders. Das ist auch der Grund, warum Bernhard Kapeller hier Pfleger sein will. „Da kann ich meine Pflege-Philosophie umsetzen. Nicht zu stark strukturiert, sondern patientenorientiert. Der Patient bestimmt, wann der Arzt auf Visite kommt oder wann er essen will. „Das Wichtigste ist der Blick: Was braucht der Patient jetzt?“, sagt Dr. Zoidl. Aus diesem Blickwinkel wird die Pflege zur Bezugspflege.
Palliative Care
Mit „Palliative Care“ ist die Begleitung, Betreuung und Pflege von Patienten gemeint, die an einer Krankheit leiden, die so fortgeschritten ist, dass sie nicht mehr auf eine heilungsorientierte Behandlung anspricht. Die Behandlung der Schmerzen und begleitender Symptome steht im Vordergrund.
Für das System Palliative Care ist die mobile Hospizarbeit ganz wichtig. Stationär gibt es in den oberösterreichischen Krankenhäusern etwa 70 Betten. Am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz ist eine dieser Stationen – mit insgesamt zehn Betten. – Sie wird von Oberarzt Dr. Johann Zoidl geleitet. Im vergangenen Jahr gab es 248 Aufnahmen (191 verschiedene Patienten). Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt 13 Tage. Könnte die Einbindung ins Krankenhaus die Palliativstationen wegen der Kosten nicht unter Druck bringen, „austherapierte“ Patient/innen früher zu entlassen? – Dr. Zoidl: „Ich habe noch nie Druck bekommen, die Aufenthaltsdauer zu verkürzen.“