64 Menschen aus dem Diakoniewerk Gallneukirchen waren bislang bekannt, die unter der Bezeichnung „Euthanasie“ ermordet wurden. Pfarrer Günter Merz ist nun auf weitere Opfer gestoßen und auf Zeugnisse geschickten Widerstands der Anstaltslei-tung, die so dutzende Leben rettete.
Den genauen Ablauf rund um die Abholung von behinderten Bewohner/innen aus dem Diakoniewerk Gallneukirchen am 13. und 31. Jänner 1941 wollte Pfarrer Günther Merz, evangelischer Religionslehrer, recherchieren. Die Arbeit sollte zu einer vertieften Kenntnis der bereits öffentlich aufgearbeiteten Vorgänge führen und ein Beitrag zum Symposion sein, das das Diakoniewerk zum 70-jährigen Gedenken ihre 64 Euthanasieopfer kürzlich veranstaltete. Bei der Durchsicht der Archiv-akten entdeckte Merz aber Hinweise auf weitere Opfer.
Der Hintergrund. Zum Verständnis der zeitgeschichtliche Hintergrund: Im Sommer 1941 war die Vernichtung von behinderten und chronisch kranken Menschen in vier Tötungsanstalten des Deutschen Reiches, wovon eine Hartheim war, eingestellt worden. Rund 70.000 Menschen kamen insgesamt um. Heute unter der Bezeichnung „dezentrale Euthanasie“ bekannt, ging das Morden in allen staatlichen psychiatrischen Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen bis Kriegsende aber weiter. Für Oberösterreich war das besonders in Niedernhart der Fall. Mehr als 100.000 Menschen soll die „wilde Euthanasie“ im Deutschen Reich das Leben gekostet haben. In diesem Zusammenhang ist die Verlegung von mindestens 13 Personen am 23., 29. und 30. Dezember 1941 von Gallneukirchen nach Niedernhart zu sehen. Lediglich von zwei finden sich die Sterbedaten, von den übrigen elf verliert sich die Spur. Es steht für Pfarrer Merz aber außer Zweifel, dass sie Opfer der dezentralen Euthanasie wurden, die viele grausame Wege fand: Unterernährung, mangelnde Pflege und medizinische Betreuung oder eine Überdosierung von Medikamenten.
Einsatz der Hausleitung. Merz hat auch Neues über das Umfeld der Abtransporte erforscht. Nach den Abholung am 13. Jänner 1941, die unerwartet war, und am 31. Jänner, wo 15 der 19 Personen von der Transportliste gestrichen werden konnten, blieb der Druck der Nationalsozialisten auf das Diakoniewerk weiter aufrecht. Der neuen Leitung, die ab Sommer 1941 im Amt war, gelang es aber, den Großteil der Angriffe abzuwehren. Geschickt spielten sie durch schriftliche Eingaben einzelne konkurrierende NS-Organisationen gegeneinander aus. Rund 220 betreute Menschen lebten während der NS-Zeit in Gallneukirchen. Davon erlebten auch jene 32 Personen das Kriegsende, deren Leben aufgrund ihrer Behinderungen akut gefährdet war, erklärt Pfarrer Merz.