Wie unsere Sternsinger den Frauenanteil an Äthiopiens Schulen erhöhen
Im Hochland Äthiopiens werden Mädchen früh verheiratet und haben wenig zu sagen. Immer mehr Frauen wehren sich aber erfolgreich gegen Benachteiligungen. Ein Lokalaugenschein im Schwerpunktland der Dreikönigsaktion.
Sanft wiegen sich die grünen Getreidefelder im Wind. Idyllisch und wunderschön offenbart sich die ländlich geprägte Arssi-Region im Hochland Äthiopiens auf 2750 Meter Höhe dem Blick seines Betrachters. Doch der Alltag der Bevölkerung, vor allem der Frauen und Mädchen, ist hart und karg.
Mangel an Nahrung und Medizin
Mit rund drei Millionen Einwohnern zählt die Region Arssi, die 250 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Addis Abeba liegt, zu den ärmsten Gebieten Äthiopiens. Die Liste der Herausforderungen ist lang. Es mangelt an Nahrung, an medizinischer Versorgung, an sanitären Einrichtungen, an Zugang zu sauberem Trinkwasser; Infrastruktur und Wirtschaft sind schwach; es gibt kaum Strom; wegen der immer wiederkehrenden Dürreperioden und Überschwemmungen leiden die Menschen vermehrt an Hunger und Unterernährung; die Kindersterblichkeit ist hoch; der Zugang zu Bildung ist mangelhaft. Viele Frauen der Region können nicht lesen und schreiben. Das Volk der Arssi wohnt hauptsächlich in einfachen Lehmhütten und lebt vor allem von Viehhaltung und Landwirtschaft für den eigenen Bedarf. Die Arssi sind eine Untergruppe der Oromo, die mit 34 Prozent die größte ethnische Volksgruppe Äthiopiens mit 90 Millionen Einwohnern bildet. Der Großteil der Oromo sind Muslime, es zählen aber auch äthiopisch-orthodoxe und protestantische Christen zu ihnen.
Lernprogramm für Mädchen
Unterrichtsstunde in Qarssa. „Ich möchte einmal Journalistin werden und den Menschen in Äthiopien helfen, denn ich liebe meine Heimat“, sagt Birkinesh Alemu. Selbstbewusst kommen die Worte über ihre Lippen. Es ist Wochenende und die 20-jährige Äthiopierin sitzt gemeinsam mit 50 anderen Schülerinnen in der Klasse. Ein spezielles Schul- und Lernprogramm für Mädchen und junge Frauen aus armen Familien bietet ihnen in der Stadt Qarssa die Möglichkeit, Wissen nachzuholen und einen Schulabschluss zu machen.
Patriachale Gesellschaft in Äthiopien
In Äthiopien ist der Zugang zu Bildung unzureichend. Dazu kommt, dass die Qualität des Unterrichts an öffentlichen Bildungseinrichtungen zu wünschen übrig lässt. Mädchen werden kaum zur Schule geschickt. Das vorherrschende Verhältnis mit 20 Prozent Mädchen und 80 Prozent Burschen in den Klassen soll mit dem Lernprogramm stetig ausgewogen werden. „In Äthiopien herrscht eine patriarchale Gesellschaft. Dem wollen wir entgegenwirken und Mädchen unterstützen, an den Wochenendkursen teilzunehmen. So können sie mit Hilfe gut qualifizierter Lehrer ihre Leistungen steigern und ihr Leben künftig zum Besseren wenden“, sagt Daniel Keftassa, Projektpartner der Dreikönigsaktion. Der Äthiopier ist studierter Agrarwissenschafter und Mitarbeiter von HEfDA (Harmee Education for Development Association), einer Organisation, die 2006 gegründet wurde und die unter anderem das Mädchen-Schulprogramm in Qarssa ins Leben gerufen hat. Neben finanzieller Unterstützung werden den Schülerinnen aus weiter entfernten Gegenden auch Unterkünfte zu Verfügung gestellt.
Starker Wille zu lernen
„Bildung ist der Schlüssel gegen Armut“, so Daniel Keftassa. Für die Schülerinnen in der Klasse findet er ermutigende Worte: „Nichts ist schwierig, wenn du hart daran arbeitest“. Birkinesh Alemu sagt, sie sei glücklich und dankbar, in den Lernkursen die Möglichkeit zu haben, ihr Wissen zu erweitern. „Ich kenne das Leben der Mädchen hier, das nicht einfach ist. Sie werden viel zu früh verheiratet. Dagegen möchte ich in Zukunft eintreten“, so die junge Äthiopierin. Sie selbst hat sich allerdings bewusst dafür entschieden mit 17 Jahren zu heiraten. „Ich wollte der Situation in meiner Familie entfliehen. Es gab viele Probleme zu Hause. Meine Mutter trinkt und sie hat meinen Bruder und mich bei den Schulaufgaben nicht unterstützt. In der Nacht haben meine Eltern immer lautstark gestritten. Mein Bruder hat am Morgen gelernt, ich am Abend. Wir haben uns dann immer über das Gelernte ausgetauscht und darüber diskutiert.“ Birkinesh Alemus Wille, sich weiterzubilden, ist immens groß. Ihr Mann, er ist Tischler und als Tagelöhner in einer Holzfabrik beschäftigt, ist ihr dabei zum Glück eine große Stütze. „Er ist stolz auf mich und wenn ich am Wochenende Unterricht habe, kocht er für mich und meinen zwei Jahre alten Sohn.“
Förderung für sauberes Trinkwasser
Auf extrem holprigen, nicht asphaltierten Straßen, vorbei an etlichen Pferdekarren und Reitern, gelangt man von Qarssa ins Dorf Anno. Auch hier hat HEfDA seit 2006 positive Spuren hinterlassen. Insgesamt 10.000 Menschen der Arssi-Region, zu der die Stadt Qarssa und umliegende Dörfer wie Anno gehören, werden durch die Projekte der Organisation unterstützt. Ziel ist, eine nachhaltige gemeindeorientierte Entwicklungsarbeit zu erreichen. „Die Menschen werden stark in unsere Konzepte mit einbezogen. So können sie ihre Bedürfnisse und Vorhaben eigenständig erreichen und künftig auch ohne unsere Hilfe selber erhalten“, so Daniel Keftassa. Das Programm von HEfDA ist umfangreich. Vermittelt werden nachhaltige Anbaumethoden und neue landwirtschaftliche Technologien zur Verbesserung der Ernährungssituation; gebaut werden Häuser, sanitäre Einrichtungen und Wasserstellen für sauberes Trinkwasser. Im Mittelpunkt der Hilfe steht aber vor allem die Förderung von Mädchen und Frauen.
Problem Genitalverstümmlung
„Jetzt haben wir ein eigenes Büro“, freut sich Nurre Wolfaro und strahlt. Die Vorsitzende der Frauenvereinigung, die 2006 gegründet wurde und derzeit 901 Mitglieder hat, zeigt stolz das neu gebaute Haus samt Büro in Anno. „Hier treffen wir uns nun, bilden uns fort, lernen voneinander unser Leben zu verbessern, erwerben Kenntnisse über unsere Rechte“, sagt die 49-jährige Mutter von zehn Kindern. Besprochen werden Themen und Probleme wie die Familienplanung; die Gewalt an Frauen; die nach wie vor praktizierte Genitalverstümmelung; die Auswanderung von jungen Äthiopierinnen in arabische Länder, die dort als Hausangestellte arbeiten und nicht selten Opfer von Menschenhandel werden; die Entführungen von Mädchen, die trotz Verbot immer wieder vorkommen.
Alphabetisierung der Frauen
Begonnen hat alles vor sechs Jahren mit Alphabetisierungskursen. „Bei mir zu Hause lernten zunächst sieben Frauen lesen und schreiben. Im Laufe der Zeit haben sich mehr und mehr Frauengruppen auch in den benachbarten Dörfern organisiert. Sparvereine wurden gegründet, das gesparte Geld haben wir verwaltet und dafür verwendet, beispielsweise besseres Saatgut zu kaufen, um bessere Ernteerträge zu erzielen. Derzeit sparen wir für die Anschaffung einer Getreidemühle“, so Nurre Wolfaro. Durch die Frauengruppen hat sich ihr Leben massiv verändert. „Vorher kannten wir unsere Nachbarn kaum. Unsere Rolle als Frau hat sich auf das Haus, auf die Kinder, auf landwirtschaftliche Arbeiten rund ums Haus beschränkt. Jetzt treffen wir uns regelmäßig, treten an die Öffentlichkeit und machen uns durch die Sparvereine unabhängiger, weil wir mehr Geld zur Verfügung haben. Wir befreien uns mehr und mehr von Bevormundung, Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen und stärken uns gegenseitig.“ Nurre Wolfaros Wunsch ist, noch mehr zu lernen. „Ich möchte mein Wissen in weitere Dörfer und Städte tragen und Frauen dabei helfen, sich von ihrer untergeordneten Stellung zu lösen.“
Sternsingeraktion 2013
Die Sternsingeraktion der Katholischen Jungschar stellt 2013 Bildungs- und Straßenkinderprojekte in Äthiopien in den Mittelpunkt der aktuellen Sammlung. Mit den in rund 3000 Pfarren gesammelten Spenden setzen die 85.000 Sternsingerinnen und Sternsinger ein Zeichen gegen Armut und Ausbeutung. Rund 500 Projekte in Afrika, Asien und Lateinamerika werden jährlich unterstützt und führen zu positiven Veränderungen für eine Million Menschen.
- www.sternsingen.at - TV-Tipp zur Sternsingeraktion: „Hilfe unter gutem Stern – Ägypten im Ringen um Versöhnung“ am 1.1. 2013, 17.05 Uhr, ORF2.