Anna Maier fühlte sich nach ihrer Scheidung lange Zeit als Sünderin. Das Annullierungsverfahren erlebte sie als „versöhnlich und barmherzig“. Eva Doppler äußert sich zum Verfahren ebenfalls positiv. Schwer tut sie sich damit, dass ein Eheverbot über sie verhängt wurde.
Aufgewachsen am Land in einer streng katholischen Familie hat Anna Maier* mit 18 Jahren geheiratet. „Ich war damals ein halbes Kind.“ Als sie sich mit 29 standesamtlich scheiden ließ, war das Verständnis ihrer Familie sehr gering. „Meine Großmutter hat mich gefragt: ‚Schlägt dich dein Mann, vergewaltigt er dich?‘“. Das wären die einzigen halbwegs akzeptablen Gründe für eine Scheidung gewesen. „Eine Frau hat zu funktionieren“, sagt Anna Maier.
War nicht wirklich frei
Erst Jahrzehnte später entschloss sie sich, die Eheannullierung anzustreben. Ausdrücklich gegen den Willen ihres ehemaligen Mannes. Sie habe noch von einer Lehrerin gewusst, dass es das gibt. „Sonst glaubt man ja, dass ist nur etwas für Prinzessinnen.“ „Für mich war zu heiraten, der einzige Weg auszuziehen. Heute weiß ich, das ist der falsche Weg, ein Problem zu lösen. Schon bei der Hochzeit wusste sie, dass es irgendwie nicht richtig war. „Ich war nicht wirklich frei. Ich hatte nicht den Nerv, die Hochzeit abzusagen. Heute würden viele Paare zuerst zusammenziehen bevor sie heiraten und dann wäre es halt nach vierzehn Tagen wieder auseinandergegangen“.
Verfahren „barmherzig“
Für sie hat die Annullierung das Gefühl einer Wiedergutmachung. „Ich habe mich lange Zeit als Sünderin gefühlt. Die Annullierung machte das wieder sauber. Erst danach ging ich wieder zur Kommunion. Der Fleck auf der katholischen Weste ist durch diesen Prozess wieder rein.“ Beim Linzer Diözesangericht habe sie eine enorme Wertschätzung erlebt. Das Verfahren sei streng und gleichzeitig sehr „barmherzig und versöhnlich“ abgelaufen. Erst nach der Annullierung der katholischen Ehe fühlte sich Anna Maier wieder richtig frei – auch für eine weitere kirchliche Heirat, aus der zwei Kinder hervorgegangen sind.
Zu hohe Ehe-Ideale
Eva Dopplers* Ehe basierte auf Erwartungen und Bedürfnissen, die durch eine Ehe nicht zu erfüllen waren. „Im Nachhinein weiß ich, dass ein Partner nicht für das Glück des anderen verantwortlich sein kann. Das ist, wie wenn man sagt: ‚Mir ist kalt, sei du bitte meine Wärme‘“. Das Gefühl, sich scheinbar an gesellschaftliche Vorgaben halten zu müssen und sich in ihrer Entwicklung nur innerhalb eines undefinierten und doch vorgegebenen Rahmen, bewegen zu können, erlebte Eva Doppler von Anfang an als sehr belastend. Nach drei Jahren Ehe erfolgte die Scheidung, ein Jahr später klagte sie die Annullierung ein. Ein wesentlicher Beweggrund für das Anstreben der Annullierung war, dass sie und ihr ehemaliger Mann im kirchlichen Dienst tätig waren. Beide befürchteten, eine neuerliche Heirat könne zu Schwierigkeiten mit dem Dienstgeber führen. Zum Verlauf des Verfahrens äußert sich Eva Doppler im Allgemeinen positiv. Erst kürzlich erfolgte der positive Abschluss der Annullierung. Das erst kürzlich (nicht in der Diözese Linz) verhängte Eheverbot trübte die Freude über die Entscheidung jedoch enorm. Es bedarf eines psychiatrischen Gutachtens, das ihr die „Ehetauglichkeit“ bescheinigt, sollte sie sich erneut für eine Ehe entscheiden. Diese Auflage bleibt als bitterer Nachgeschmack zurück. Dabei lebt Eva Doppler seit geraumer Zeit wieder in einer gelingenden Beziehung und hat das Gefühl, dass „wir uns gegenseitig so nehmen, wie wir sind“. Von der katholischen Kirche wünscht sie sich, „nicht von einer Theorie der Beziehung auszugehen und den Menschen weniger Druck zu machen mit Vorgaben, wie man sein muss, sondern Mut zu echter Lebendigkeit zu vermitteln“.
Innere Zweifel bei Hochzeit
Melanie Zarzer* hat sehr jung geheiratet, in der Rückschau und nach Aufarbeitung ihrer Biographie im Annullierungsverfahren „aus den falschen Motiven“ heraus, wie sie sagt. Es war mehr eine Flucht von zuhause, da sie die Ehe der Eltern als sehr traumatisierend erlebt hat. Bereits vor der Hochzeit plagten sie innere Zweifel, doch sie wollte niemanden enttäuschen und behielt die Zweifel für sich…. Bis sich Jahre später psychosomatische Beschwerden zeigten, die ein Handeln und Nachforschen nach den Ursachen erforderten.
In den Jahren nach der Scheidung bekam sie im Rahmen von Beichte und Aussprache von Priestern immer wieder den Hinweis auf eine mögliche Annullierung ihrer Ehe . Dadurch gestärkt fasste sie den Entschluss, im Diözesangericht doch zumindest nachzufragen: “Mehr als ein Nein kann mich nicht erwarten.“ Die anfänglichen Bedenken, was sie dort erwarten wird, wurden bald aufgelöst. Die Gespräche am Diözesangericht erlebte sie als äußerst positiv. Insbesondere die Beratung durch den Kanzleileiter und Richter Mag. Andreas Krenn sei sehr wertschätzend gewesen, betont sie im Gespräch mit der KirchenZeitung. „In diesem geschützten Rahmen wurde es möglich, in aller Ehrlichkeit und Klarheit mein „Geworden-Sein“ zu verstehen, mich auszusöhnen mit diesem, meinem Leben.“ Melanie Zarzer fragt sich, wieso nicht mehr Menschen in ähnlichen Situationen ein Annullierungsverfahren anstreben und möchte dazu ermutigen.
„Mit der Annullierung wurde ihr eine neue Freiheit geschenkt, eine Freiheit für jemanden oder etwas“, betont Melanie Zarzer.