Gedichte – meditativ erschlossen von Otto Betz, ein Buch über den Menschen Martin Luther und ein Band über ein beeindruckendes Kunstprojekt der katholischen Kirche in Deutschland finden Sie in den aktuellen Buchtipps.
Ausgabe: 16/2017
18.04.2017
- C. Grüll, J. Wallner, elle
Warum uns Luther zu Herzen geht. Eine Flut von Büchern ist über Martin Luther zum Gedenken „500 Jahre Reformation“ erschienen. Viele davon hochinteressante, wissenschaftliche Werke mit umfangreichem Anmerkungsapparat. Ohne die Wissenschaft abwerten zu wollen, fällt das Büchlein Uwe Birnsteins mit dem Titel „Mensch Martinus“ dennoch angenehm aus dem Rahmen. Wer in überschaubarer Zeit und verständlich eine Ahnung bekommen möchte, worin die Faszination sowie spirituelle Sprengkraft Martin Luthers auch für heute besteht, wird bei Birnstein fündig. Er stellt die menschliche Seite Luthers vor, den treuen Freund, den liebevollen Ehemann, den unermüdlichen Seelsorger, aber auch den angstgeplagten Gläubigen. Dem Autor gelingt es in beeindruckender Weise auch, Schwerpunkte von Luthers Theologie aufblitzen zu lassen.
Ein Gedicht zur rechten Zeit. Ein Gedicht ist kein Gebet, schreibt der Autor Otto Betz. Aber ein Gedicht kann ein Leben lang begleiten, weil es in den Lesenden etwas zum Klingen bringt. In seinem Buch „Atem holen in der Welt der Poesie“ geht der Religionspädagoge 75 Gedichten von Johann Wolfgang von Goethe bis Hilde Domin auf den Grund. In „Sensible Wege“ zum Beispiel spricht der Schriftsteller Reiner Kunze von der Sensibilität der Erde – kein Baum und keine Wurzel dürfen gerodet werden, weil die Quellen sonst versiegten – und vergleicht sie mit dem Seelenleben des Menschen: „wie viele Bäume werden / gefällt, wie viele wurzeln / gerodet / in uns“. Otto Betz führt das Bild weiter und denkt sich den Menschen als pflegebedürftigen Garten, mit geistigem Baumbestand und seelischem Grundwasser. Otto Betz hat die Gedichte in Themenfelder wie Liebe, Schicksal, Leiden und Freuden eingordnet. Mit seinem Buch legt er eine feine Sammlung von Gedichten aus mehreren Epochen vor und reichert sie mit seinen Interpretationen an.
Das Kunstprojekt der katholischen Kirche. Freude, Trauer, Hoffnung, Angst der Menschen von heute kennenzulernen – diese neue Richtung hat das zweite Vatikanum mit der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ vorgegeben. Sich mit Kirche „ad dextra“ (nach draußen) zu befassen, war das Thema. Papst Franziskus wird heute nicht müde, die Kirche und ihre Gläubigen aufzurufen, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen.
Das Konzilsjubiläum wurde 2015 in Deutschland groß gefeiert, ein eigenes Kunstprojekt an elf Standorten initiiert, das ebenfalls den Titel „Freude, Trauer, Angst, Hoffnung“ trug. Eine möglichst große Anzahl an Kunstsparten sollte berücksichtigt, Kurator/innen beauftragt und Künstler/innen eingeladen werden, relativ frei zu agieren. Auch hier das Thema: Was treibt die Menschen von heute an? Welche Probleme sollte Kirche in den Blick nehmen? Der vorliegende Band dokumentiert die Projekte: u.a. ein Straßentheater in Konstanz, zeitgenössische Ausstellungen in Köln, Düsseldorf und im Kloster Lorsch, ein Chorkonzert mit 3000 jungen Sänger/innen sowie drei Uraufführungen und ein Literaturfest in München. Dazu gab es Begleitveranstaltungen wie Autorengespräche und Filmabende. Die jeweiligen Veranstaltungen wurden von bis zu 2000 Menschen besucht und die Herausforderung „Kunst unserer Zeit“ angenommen: „Weil wir in einem Zeitalter leben, das weitgehend vom Nutzenkalkül regiert wird, (...) und weil wir in einer Gesellschaft leben, die uns die großen Fragen ausreden will, sind Menschen wichtig, die uns lehren, an den großen Fragen festzuhalten: Und da rangieren die Künstler sicher an vorderster Stelle“, erklärt Kardinal Lehmann in seinem einleitenden Beitrag dazu. Das Kunstprojekt zeigt, wie anziehend und spannend Kunst mit Qualitätsanspruch sein kann.
Das Büchlein ist ein Ideengeber für alle, die bei der Langen Nacht der Kirchen wieder einmal ein Projekt einreichen oder im Dekanat ein Kunstprojekt planen wollen. Kunst wirkt, habt keine Angst! – Mit einem Vorwort von Karl Kardinal Lehmann.