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Einen ganz außergewöhnlichen Tabernakel kann man auf dem Hochaltar der Pfarrkirche von Christkindl bestaunen. Das wertvolle Stück hat die Form einer Weltkugel. Auf dem Globus sind in zarten Reliefs die vier Erdteile erkennbar – vier Kontinente, nicht fünf! Denn Kapitän James Cook sollte erst einige Jahre nach der Anfertigung dieses Tabernakels zu der Südseefahrt aufbrechen, bei der er Australien entdeckte. Auch wenn die Anordnung der Erdteile nicht ganz den geografischen Tatsachen entspricht, die größten Flüsse und Seen sind eindeutig erkennbar.
Der Weltkugeltabernakel besteht aus vergoldetem Kupferblech. Die gehämmerte Oberfläche rund um die Kontinente erweckt den Eindruck von kleinen Wellen und veranschaulicht so das Wasser der Ozeane. Als Meister ist Josef Hieber dokumentiert, von dem leider bislang keine weiteren Werke bekannt sind. Der exakte Entstehungszeitpunkt bleibt im Dunkeln, doch das Stück muss innerhalb weniger Jahre um 1763 entstanden sein – ist also rund 250 Jahre alt.
In der Barockzeit wurde der Globus zum Symbol von Wissen und Erforschung der Welt. Als Statussymbol war er oft aus wertvollen Materialien gefertigt und wurde zur Schau gestellt, um von der Weltgeltung seines Besitzers zu zeugen. Auch der Steyrer Weltkugeltabernakel ist letztendlich ein Zeichen des Sieges und der Weltherrschaft. Hier ist aber der Herrscher kein Kaiser oder Fürst, sondern Christus. Als Aufbewahrungsort für die konsekrierten Hostien ist der Tabernakel – also die ganze Welt – „Heimstätte" für Christus.
Neben der Weltkugel waren die Personifikationen der vier Erdteile als Leuchterträger aufgestellt. Oberhalb des Tabernakels befindet sich in einem Schrein das kleine Christuskind, das der Wallfahrtskirche ihren Namen gegeben hat. Es ist ein Wachskindl von nur 10 cm Größe. Ihm liegt die ganze Welt zu Füßen – im wahrsten Sinn des Wortes. Die göttliche Allmacht über die irdische Welt wird so gegenwärtig. Verkörpert wird sie nicht durch einen mächtigen Gott, sondern durch ein kleines Kind.
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