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Jugendliche schaffen Orte des Gedenkens am St. Barbara Friedhof

KIRCHE_OÖ

Am Linzer St. Barbara Friedhof gestaltete eine Schulklasse des BRG Linz Hamerlingstraße Wandgräber in Erinnerung an Menschen und Themen, die normalerweise an den Rand gedrängt werden. 

Ausgabe: 44/2025
28.10.2025
- Paul Stütz
Entstehungsprozess der Gedenkstätte für „Menschen, die durch Suizid von uns gegangen sind“.
Entstehungsprozess der Gedenkstätte für „Menschen, die durch Suizid von uns gegangen sind“.
© St. Barbara Friedhof / Gracia Nsambo

Friedhöfe gelten bei vielen Menschen als dunkle, schwere Orte, die man eher meidet, wenn man es sich aussuchen kann. Am St. Barbara Friedhof in Linz soll es anders sein. Gerade in den letzten Jahren wurde der Friedhof vermehrt für Veranstaltungen geöffnet. Weiterhin ist das zwölf Hektar große Areal mit den 20.000 Gräbern vor allem ein Ort der Trauer und Erinnerung, aber eben auch der gesellschaftlichen Reflexion. Davon zeugt auch das jüngste Projekt.

 

Im Rahmen der Jugendsozialaktion „72 Stunden ohne Kompromiss“, entstanden innerhalb von drei Tagen Orte des Gedenkens für vier Gruppen: Opfer von Femiziden, Suizidopfer, Flüchtlinge auf der Balkanroute und Opfer von Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg. In Kleingruppen setzte sich die 8. MED des BRG Hamerlingstraße bereits in den letzten Wochen und Monaten im Geschichteunterricht mit diesen Themen auseinander. Vier derzeit ungenutzte Wandgräber, die von den Jugendlichen künstlerisch gestaltet werden, hat der Barbara-Friedhof dafür zur Verfügung gestellt. 

 

Balkanroute und Suizid


Beim Thema Balkanroute geht es etwa um den Fluchtweg, den hunderttausende Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten genutzt haben, um Europa zu erreichen. Die Balkanroute steht heute als Symbol für menschliche Not, aber auch für Mut, Ausdauer und Hoffnung. Sie erinnert daran, dass Flucht niemals freiwillig geschieht, sondern immer aus Verzweiflung.


Ein in der öffentlichen Wahrnehmung oftmals verdrängtes Thema ist der Suizid. Die Gedenkstätte ist den „Menschen gewidmet, die durch Suizid von uns gegangen sind, oft im Schatten von Scham und gesellschaftlicher Verurteilung“. „Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass es nicht die Schwäche des Einzelnen ist, die zum Suizid führt, sondern dass es ein gesellschaftliches Problem ist“, erzählt Viktoria Baumgartner im Gespräch mit der Kirchenzeitung. Wie sich Menschen mit Depressionen und Suizidgedanken Hilfe holen können, ist dabei ein inhaltlicher Schwerpunkt. „Ich finde, man sollte offen damit umgehen. In Therapie zu gehen, ist in unserer Generation mittlerweile normal. Jeder, der irgendwelche Probleme hat, sollte das machen, das tut glaub ich jedem gut“, sagt Sarah Stockinger. 

 

Zwangsarbeit


Ziyad Allam hat sich mit seiner Gruppe wiederum für das Thema NS-Zwangsarbeit entschieden. Er möchte damit eine Lücke schließen, da es dazu kaum Gedenkstätten gebe.


Für ihn ist auch der Bezug zur Gegenwart wichtig: „Zwangsarbeit gibt es auch heute auf der ganzen Welt. Allein wenn man sich anschaut, wie sehr die Arbeiter für die Fußball-WM 2022 in Katar ausgebeutet wurden und wie viele auf den dortigen Baustellen gestorben sind.“ 


Trotz der Schwere der Themen: Die Umsetzung des Projekts macht den Schüler:innen sichtlich Spaß. „Normalerweise sitzen wir in der Schule, hören zu und lernen. Gestern haben wir die Erde umgegraben und Unkraut entfernt. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so was gemacht habe, weil ich sonst so beschäftigt bin in der Schule“, erzählt Viktoria. 


Auch Geschichtelehrer Harald Rechberger vom BRG Hamerlingstraße, der die Jugendlichen begleitet, ist vom Projekt begeistert. Die Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit dem St. Barbara Friedhof sei eine „mega Gelegenheit“, dass sich Schüler:innen an einem so bedeutungsvollen Ort wie einem Friedhof aktiv mit Geschichte auseinandersetzen und Erinnerungsorte gestalten. Besonders stolz ist er, dass sich die Schüler:innen intensiv auf die Auseinandersetzung mit den Themen eingelassen und sich selbst die Opfergruppen ausgewählt haben. 

 

Erinnerungsort an die Opfer von Zwangsarbeit: „Unser Motiv, die Zwangsarbeiter:innen während des Zweiten Weltkriegs auszuwählen, ist es, auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Sie sind oft in Vergessenheit geraten.
Sarah Stockinger und Viktoria Baumgartner widmen sich dem Thema Suizid.
Ziyad Allam beim Anrühren des Zements für die Gestaltung des Wandgrabs zum Thema Zwangsarbeit.
Sechs junge Frauen gestalteten ein Wandgrab, um an die Opfer von Femi­ziden zu erinnern. Als Femizide bezeichnet man Tötungen von Frauen, nur weil sie Frauen sind. 2024 waren es in Österreich 27 Frauen und in den letzten 11 Jahren insgesamt 319 Opfer
Bischof Manfred Scheuer segnete den Gedenkort für die ­Opfer von Zwangsarbeit.
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Drei Tage lang volles Engagement

 

Die Jugendsozialaktion „72 Stunden ohne Kompromiss“ fand heuer vom 22. bis 25. Oktober unter dem Motto „Pack ma’s an“ statt. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen bedankte sich bei den Jugendlichen. 

 

Tausende junge Menschen im Alter von 14 bis 24 Jahren haben vom 22. bis 25. Oktober unter dem Motto „Pack ma’s an“ 72 Stunden lang zeitgleich hunderte soziale, ökologische und gemeinnützige Projekte bundesweit umgesetzt.


Die Jugendsozialaktion wird seit 2002 von der Katholischen Jugend und youngCaritas und von zahlreichen Pfarren, Schulen und lokalen Initiativen unterstützt. 


Lob für ihr Engagement erhielten die Jugendlichen auch von höchster Stelle durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen: „Wenn ich mir Aktionen wie diese ansehe, habe ich das Gefühl, dass unsere Zukunft bei euch in guten Händen liegt. Unsere Gesellschaft lebt von Menschen wie euch, die nicht zuschauen, sondern anpacken.“ 

 

Bischöfe begleiten Aktion


Auch Österreichs Bischöfe haben die Aktion begleitet. So segnete etwa Bischof Manfred Scheuer die Erinnerungsorte am St. Barbara Friedhof bei der offiziellen Eröffnung am 25. Oktober. Er betonte dabei, dass die Projekte der Jugendlichen zeigen, dass sich junge Menschen für Gedenkarbeit interessieren. Man merke, dass da „etwas zu Herzen geht“. Die vier unterschiedlichen Gedenkorte hätten für ihn etwas Gemeinsames, was auch er sich wünsche: „Hinschauen, nicht wegschauen. Dran denken, nicht vergessen. Verantwortung übernehmen, nicht resignieren.“

 

Auch Friedhofsverwalter Clemens Frauscher äußerte sich begeistert zu den Erinnerungsorten, die die Jugendlichen gestaltet haben: „Diese kreativ gestalteten Erinnerungsorte werden künftig Friedhofsbesucher:innen einladen, sich in neuer Weise mit Tod und Leben, mit dem Friedhof und den konkreten Themen dieses Gedenkortes zu beschäftigen.“

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Elisabeth Wertz ist Religionslehrerin und Pastoralassistentin im Südburgenland (derzeit in Elternkarenz).

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