Seit Kurzem sind Bibelthemen im Kino wieder gefragt. Dabei steht weniger die Spiritualität im Vordergrund, sondern Helden, Action und bekannte Stoffe. Auch Politisches spielt eine Rolle, meint Filmexperte Markus Vorauer.
Ausgabe: 2014/49, Bibelthema, Kino, Vorauer, Richard Burton, Mel Gibson
02.12.2014 - Christine Grüll
Der Film ist bombastisch. Pyramiden, Sklaven und biblische Plagen, die über das Wüstenland hereinbrechen. Der Hollywood-Film „Exodus: Von Göttern und Königen“ kommt am 25. Dezember in die Kinos. Er erzählt die Geschichte Moses’, und er ist eine von mehreren Bibelverfilmungen, die demnächst im Kino anlaufen.
Gott und Helden
„Die Bibel war neben Werken wie die Odyssee oder das Nibelungenlied immer eine Bezugsquelle für das Kino“, sagt Markus Vorauer. Der Linzer Filmexperte, der regelmäßig Filme für die KirchenZeitung bespricht, sieht einen Zusammenhang zwischen Bibelverfilmungen und bestimmten Themen, die in der Luft liegen. Eines davon könnte politisch sein: „Es gibt in den USA über 90 evangelikale Gruppierungen, auch extreme, die sich unter Präsident Barack Obama vernachlässigt fühlen“, meint Markus Vorauer. Sie haben ein starkes Interesse daran, Gott und Glaube in die Medien zu bekommen. Aber auch das verunsicherte Lebensgefühl der amerikanischen Bevölkerung spiegelt sich auf der Leinwand wider: Die Terroranschläge vom 11. September 2001, Hurrikan Katrina, Tsunami, Weltwirtschaftskrise und die Kriege, in die die USA verwickelt sind, steigern das Bedürfnis nach Helden. Die finden sich in der Bibel. „Noah zum Beispiel transportiert ein ökologisches Thema. Er und seine Familie leben vegan, die Bösen sind ‚Fleischfresser‘“, verweist Markus Vorauer auf das Filmdrama „Noah“, das im Frühling angelaufen ist. Doch dem Bibelstoff kommt noch etwas entgegen: das Bedürfnis nach Abenteuer und Action.
Die Bibel in CinemaScope
„Die Spiritualität einer Bibellektüre hat die Filmbranche kaum interessiert, aber der Ausstattungswert“, sagt Markus Vorauer. 1897 filmten die Brüder Lumière zum ersten Mal ein Passionsspiel ab. Das steigerte sich bis zu den Ausstattungsfilmen in den 1920er Jahren mit aufwändig gebauten Kulissen und Tausenden von Statisten. Dazu gehören „Intoleranz“ von David Wark Griffith oder „Sodom und Gomorrha“, der in Wien gedreht wurde. Die Filme bedienten sich nicht nur wohlbekannter Bibel-Szenen. Sie entwickelten sich auch parallel zu neuen Technologien, sagt Markus Vorauer und nennt „Ben Hur“ aus dem Jahr 1926. Der Film war einer der ersten, in dem die Kamerafahrt bei rasanten Wagenrennen-Szenen eingesetzt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnete ein Bibelthema das CinemaScope-Zeitalter. „Das Gewand“ über das Kleid Jesu kam 1953 mit Richard Burton auf die Leinwand. Es folgten „Ben Hur“ mit Charlton Heston oder 1965 „Die größte Geschichte aller Zeiten“, von Jesu Geburt bis zur Kreuzigung, mit Max von Sydow in der Hauptrolle. Mit viel Action wandelten die Bibelfilme auf den Spuren des Abenteuerfilms. Dann auf den Spuren des Musicals. 1973 wurde die Rock-Oper „Jesus Christ Superstar“ verfilmt.
Der europäische Bibelfilm
Viel ruhiger und eindringlicher erzählen europäische Filme vom Leben und Leiden Christi. Vor allem italienische Filme setzen sich auf seriöse und spirituelle Weise mit der Bibel auseinander, sagt Markus Vorauer, ein Liebhaber des europäischen Kinos. Christus als sozialkritischer und kämpferischer Mann, so sah ihn Pier Paolo Pasolini 1964 in seinem Film „Das erste Evangelium – Matthäus“. Der Film erhielt damals den Preis des Internationalen Katholischen Filmbüros. Dennoch war diese Art der Christus-Darstellung als einfacher Mensch umstritten. Andere Regisseure wie Ingmar Bergman, dessen Vater Pastor gewesen war, thematisierten die Zweifel im religiösen Zusammenhang. Und in manchen Filmen wie „Su re – Über den König“ von Giovanni Columbu (2012) wartet das Publikum vergeblich auf Effekte und dramatische Musik.
Eine neue Welle
Effekte gibt es umso mehr in „Die Passion Christi“ von Mel Gibson. Der Film, in dem extreme Gewalt dargestellt wird, war 2004 höchst umstritten. Doch näher betrachtet zeigt er die Kreuzigung als das, was sie eigentlich ist, meint Markus Vorauer: „Als einen sadistischen Akt.“ Nach diesem Film war es ruhig um die Bibel im Kino. Bis letztes Jahr. Da startete mit „Sohn Gottes“ in Amerika eine neue Welle. Denn nach „Noah“ und dem erwähnten Moses-Film sollen in den nächsten Monaten weitere Bibelthemen folgen: Ein Film über Kain von Will Smith, einer über Maria mit Ben Kingsley, ein Jesus-Film von Paul Verhoeven, eine Bibelverfilmung mit Brad Pitt als Pontius Pilatus, ein weiterer Moses-Film von Ang Lee sowie 2016 ein „Ben Hur“ mit Morgan Freeman. „Der eine oder andere Film wird actionbetont sein oder auch fundamentalistisch“, befürchtet Markus Vorauer. „Aber sie bringen die Bibelthemen einem breiten Publikum wieder näher.“