Wort zum Sonntag
Ein Konklave ist mehr als die Routinewahl eines neuen Papstes. Durch die außergewöhnlichen Regeln und Rituale, die damit verbunden sind, ist es zu einem Mythos geworden. Doch Päpste wurden nicht immer auf diese Art und Weise gewählt.
Das Prozedere der Papstwahl, das nicht nur den geheimen Abstimmungsvorgang der Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle umfasst, wirkt heute aus verschiedenen Gründen aus der Zeit gefallen. Andererseits scheint das Konklave in seiner einzigartigen Form ein zeitloses Verfahren zu sein, das in seiner Funktionalität und Legitimität kaum hinterfragt werden mag. Schließlich liegt auch darin die Kontinuität des Papstamtes begründet, mit der langen Reihe der Amtsinhaber bis zurück zum Apostel Petrus in der sogenannten „apostolischen Sukzession“.
Dabei ist das Verfahren des Konklaves – so antiquiert es erscheinen mag – keineswegs vom Himmel gefallen. In der Bibel ist nichts davon zu lesen. Möchte man Petrus als „ersten Papst“ bezeichnen, so erlangte dieser sein Amt mit der Einsetzung durch Jesus Christus: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen …“
Diese Stelle aus dem Matthäus-Evangelium steht in großen Lettern in der Kuppel des Petersdoms.
Die Art der Bestellung der ersten Nachfolger Petri liegt im Dunkeln. Die Autorität der Apostel in der Leitung der christlichen Kirchengemeinden dürfte wenig umstritten gewesen sein. Erst in späteren Generationen wurde die Frage nach dem Leitungsamt und seiner Besetzung virulent. Konflikte bei der Wahl des römischen Bischofs ließen nicht lange auf sich warten. Die Frage, wer für das Bischofsamt fähig ist und wie das Amt erlangt wird, war vor allem ein theologisches Problem, das auf den frühen Konzilien und Synoden erörtert wurde: Bischof kann man nur durch die Weihe werden, die damals unmittelbar mit dem Auswahlvorgang verbunden war. Daran sollten sowohl Klerus als auch Volk beteiligt und die benachbarten Bischöfe eingebunden sein. Wahl und Weihe des Bischofs von Rom haben sich dabei nicht von anderen Städten unterschieden.
Über die nächsten Jahrhunderte blieb der alte Grundsatz „Wahl durch Klerus und Volk“ die Rechts- und Handlungsgrundlage – auch in Rom. In den meisten Bischofsbiografien wird meist nur sehr knapp davon berichtet. Regelmäßig lässt sich dabei die Einflussnahme durch römische Adelige, fränkische Könige und den Kaiser beobachten. Als Katholiken oder Angehörige des Klerus erachteten sich viele Adelige als zuständig für die Wahl des römischen Bischofs, der über die Zeit hin immer mehr an Bedeutung gewann. So groß das Interesse an der Papstwahl war, so groß und teils auch blutig waren die Kämpfe darum.
Es dauerte bis ins 11. Jahrhundert, dass man die Regeln der Papstwahl neu formulierte. In der Kirchenreform gab es das ernsthafte Anliegen, die weltliche Einflussnahme einzudämmen. Gleichzeitig kam es zu einer Blüte des Kirchenrechts, zur Professionalisierung des Klerus und zur Formierung des Kardinalskollegiums. Im 12. Jahrhundert wurde das Wahlrecht erstmals exklusiv den Kardinälen überantwortet, und es wurden genaue Abstimmungsregeln definiert. Eine Synode im Jahr 1179 bestimmte, dass nur jener Papst werden darf, den zwei Drittel der anwesenden Kardinäle dazu wählten.
Keineswegs waren damit alle Probleme behoben. Auch im abgegrenzten Kardinalskollegium blieb die Wahl ein schwieriges Unterfangen. Vor allem dürften die Kardinäle die Zeit der Sedisvakanz genossen haben, also die Zeit „zwischen den Päpsten“. 1271 konnten und wollten sich die Kardinäle nach drei Jahren noch nicht einigen.
Die Bewohner von Viterbo, wo die Papstwahl stattfand (80 km nördlich von Rom), griffen zur List: Sie verriegelten die Räumlichkeiten der Kardinäle und servierten ihnen nur Brot und Wasser. Die Zweidrittelmehrheit konnte trotzdem erst erreicht werden, als man das Dach abdeckte und die Kardinäle Wind und Wetter aussetzte. Das strenge Prozedere schien sich zu bewähren: 1274 wurde bestimmt, dass die Kardinäle unter Ausschluss der Öffentlichkeit – „cum clave“ heißt auf Latein „mit dem Schlüssel“ – und unter diversen Sicherheitsmaßnahmen schneller zu einem Ergebnis kommen sollten.
Mit dem exklusiven Wahlrecht der Kardinäle im abgeschirmten Konklave hatte die Papstwahl im Mittelalter immer noch nicht ihr ganz charakteristisches Gepräge erhalten. Die päpstlichen Zeremonienmeister der frühen Neuzeit wussten besonders um die Wirksamkeit symbolträchtiger Handlungen. Sie entwickelten ein reichhaltiges Formenrepertoire, das der außergewöhnlichen Personalentscheidung gerecht werden sollte. Streng wachten sie über die Einhaltung der Zeremonien und insbesondere darüber, was davon an die Öffentlichkeit gelangen durfte – und was nicht.
Nun findet die Papstwahl regelmäßig vor dem symbolkräftigen „Jüngsten Gericht“ Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle statt.
Bis heute präsentiert sich das Konklave als ein herausragendes Ereignis in der päpstlichen Wahlmonarchie. Neben allen Kontinuitäten erfährt die Papstwahl bis heute in ihrer rechtlichen Form immer wieder Präzisierungen und Reformen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten etwa noch europäische Monarchen ein bedingtes Eingriffsrecht. Auch Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus haben das Papstwahlrecht geringfügig geändert und angepasst. Die geschichtsträchtige Aufgabe, ein neues irdisches Oberhaupt für die katholische Kirche zu finden, blieb stets dieselbe. Wer weiß, wie in Zukunft über die Papstwahl entschieden wird.
Wort zum Sonntag
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>