Michael Wahlmüllers „Requiem für Manfred“ kam vor einem Jahr in Linz zur Uraufführung. Ein persönliches Abschiedsgeschenk für einen Freund und Kollegen, der nach der Diagnose Krebs nur noch ein halbes Jahr zu leben hatte.
Ausgabe: 2015/44, Wahlmüller, Marianisten, Requiem für Manfred
28.10.2015 - Das Gespräch führte Elisabeth Leitner
Ihr Freund und Kollege ist vor zwei Jahren verstorben. Von der Diagnose bis zu seinem Sterben verging nicht mal ein halbes Jahr. Wie war die Zeit für Sie? Michael Wahlmüller: Er erhielt im Mai 2013 die Diagnose Bauchspeicheldrüsen-Krebs, man konnte leider nichts mehr für ihn tun. Am 26. Oktober ist er dann gestorben. Ich habe mit ihm und seiner Familie mitgelitten und mitgelebt. Wir haben viel miteinander geredet – auch über das Sterben. Er hat einmal über den Tod gesagt: „Es erwarten mich dann dort so viele liebe Menschen.“ Das war tröstlich und trifft sich auch mit dem, was ich persönlich glaube. Mir tut jeder leid, der nicht daran glauben kann, dass nachher noch etwas ist. In der Kunst kann man diese Spiritualität leben.
Welche Möglichkeiten bietet denn die Kunst, den Tod, die Trauer, den Schmerz zu bewältigen – war das auch für Sie eine Form der Verarbeitung? Wahlmüller: Man kann die Vergangenheit und die jenseitige Welt durch die Kunst in das Jetzt hereinholen. Ich hatte das Bedürfnis, meinem Freund ein musikalisches Denkmal zu setzen. Ein Jahr nach der Diagnose hab ich damit begonnen zu schreiben. Es war für mich eine Form, diesen Verlust zu verarbeiten – und damit auch abzuschließen.
Sie arbeiten als Musiklehrer in einer katholischen Privatschule, schreiben viel geistliche Musik. Wie wichtig ist die christliche Grundhaltung für Sie – auch im Hinblick auf Ihr eigenes Sterben? Wahlmüller: Zum einen hab ich die innere Gewissheit des ewigen Lebens. Zum anderen orientiere ich mich an der griechischen Antike, der Stoa: Der Tod ist der Höhepunkt, die Erfüllung des Lebens. Ich sehe das nicht im Sinne eines Bilanz-Ziehens, sondern frage mich: Könnte ich, wenn es so weit ist, das meiste vertreten? Ist noch viel offen? Der Tod ist nichts Schreckliches. Ich bin der Wächter darüber, ob ich am Ende sagen kann: Ja, dieses Leben war erfüllend. Ich bin aber nicht jenseitig orientiert, ich lebe, arbeite, komponiere im Jetzt und für die Gegenwart – und nicht für die Nachwelt.
Was ist das Besondere an diesem „Requiem für Manfred“? Wahlmüller: Es ist ein klassisches Requiem, ich habe nur das „Dies irae“ herausgenommen, also die Passage, in der es um das Jüngste Gericht geht. Statt dessen habe ich im letzten Teil das „In Paradisum“ dazugenommen: „Zum Paradies mögen Engel dich begleiten, ... Chöre der Engel mögen dich umfangen“. Dunkle, tiefe Klangfarben dominieren das Stück. Ich habe mich beim Schreiben von der Beerdigung inspirieren lassen: Damals hat es geregnet, die Bläser sind hinten gestanden. Die Freunde, die damals dabei waren, haben sich beim Hören des Requiems wieder an diese Szene erinnert.
Sie leiten heute den Chor Ihres verstorbenen Kollegen und bezeichnen ihn als wichtigen Mensch auf Ihrem Weg. Was haben Sie an ihm geschätzt? Wahmüller: Prof. Manfred Linsbauer war in Wien Intendant des Festivals „Musica Sacra über die Grenzen“. Er strahlte eine große Offenheit aus, er half, den Blick zu weiten und aus dem Schubladen-Denken auszusteigen. Er war ein ganz wichtiger Mensch auf meinem Weg. Heute leite ich seinen Chor „Wiener Vocal-Ensemble“, es geht weiter in seinem Sinne, mit neuen Inhalten, die jetzt von mir gefüllt werden. Seine Frau macht nun die organisatorische Leitung – und das ist gut so.
Als Lehrer und Musiker leben und arbeiten Sie in Wien, haben aber auch viele Konktakte nach Oberösterreich. Was verbindet Sie mit Linz? Wahlmüller: Ich bin ja in Linz geboren und hier in die Schule gegangen, meine Familie lebt hier. Ich habe an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz einen Lehrauftrag. Ich mache schon seit längerer Zeit einmal im Jahr ein Konzert bei den Elisabethinen in Linz und bin immer wieder Gastdirigent beim Ennser Kammerorchester. Das Requiem habe ich bei diesem Konzert bei den Liesln mit meinem Ensemble Lentia Nova uraufgeführt. Es sind ganz viele Freunde aus Wien – auch die Witwe – gekommen, um dieses „Requiem für Manfred“ zu hören. Das war für alle sehr berührend.
Zur Person
Michael Wahlmüller, geb. 1980 in Linz, ist verheiratet und Musiklehrer an der Albertus Magnus-Schule der Marianisten in Wien. Sein Brotberuf erfüllt und inspiriert ihn. Er ist Komponist, Dirigent, Cellist und Chorleiter mehrerer Ensembles. Im Alter von zehn Jahren hat er bei Prof. Gunter Waldek an der Anton-Bruckner-Uni einen Kompositionskurs gemacht, das war seine „Initialzündung“, wie er sagt. Mit 17 Jahren schrieb er seine erste Symphonie. Heute zählt sein Werkverzeichnis an die 50 Werke: Orchesterwerke, geistliche und weltliche Vokalwerke, Musik für Kammerorchester, Solo und Orchester. Er erhielt mehrere Preise und Stipendien für seine Kompositionen.