Vor 60 Jahren wurden die beiden Kapuzinerpatres Theophil Ruderstaller und Antonin Schröcksnadel in Nordostchina von Rotgardisten ermordet. Heute regt sich an den aufgefundenen Gräbern neues Leben.
HANS BAUMGARTNER
Das war für P. Gaudentius Walser von der Nordtiroler Kapuzinerprovinz eine ordentliche Überraschung, als er im vergangenen Jahr aus China einen Brief erhielt. Bischof Joseph Wei von Ciquihar, der seit 2002 auch Apostolischer Administrator der ehemaligen Kapuzinermission Kiamusze ist, war der Absender. Er teilte mit, dass man bei Brunnengrabungen im Garten eines Privathauses zwei Särge gefunden habe. Untersuchungen der Behörden sowie Zeugenaussagen ergaben, dass die Särge die Leichen von P. Theophil Ruderstaller (Ostermiething) und P. Antonin Schröcksnadel (Innsbruck) enthalten. Sie waren am 10. Juni 1946 von kommunistischen Gardisten aus der Kirche geholt und im Pfarrhaus erschossen worden.
Neue Hoffnung. Unter den Christen der Gegend hat sich die Auffindung der Gräber wie ein Lauffeuer verbreitet. Für die nach Vertreibung und Unterdrückung wiedererstandene junge Gemeinde sind diese Glaubenszeugen eine neue Hoffnung, waren es doch die Kapuziner, die in den 30er Jahren in Fu-dsin eine blühende Christengemeinde aufgebaut und eine Kirche errichtet hatten. 1933 übernahm die Nordtiroler Kapuzinerprovinz die „Mission Kiamusze“ im Nordosten der damals von den Japanern besetzten Mandschurei. Am Beginn gab es in dem riesigen Gebiet nur 2300 Katholiken. Innerhalb weniger Jahre wurden sieben Missionsstationen aufgebaut, um die sich lebendige Gemeinden bildeten. Auch mehrere Schulen wurden errichtet, um den weit verbreiteten Analphabetismus zu überwinden. Am 11. April 1940 wurde P. Hermengild Hintringer zum Apostolischen Präfekten von Kiamusze ernannt.
Die Blutzeugen. Im August überrannten die Russen die Mandschurei und plünderten die Mission. Ein Jahr später begannen die Truppen Maos vom Norden aus die Eroberung Chinas. Dabei kam es auch zur brutalen Ermordung der beiden Kapuziner P. Theophil und P. Antonin in Fu-dsin. Sie wurden am 10. Juni 1946 während einer Herz-Jesu-Andacht mit den Gläubigen aus der Kirche getrieben. Im Pfarrhaus wurden sie gefesselt und kaltblütig erschossen. Bruder Günther Krabichler, der den Überfall schwer verwundet überlebt hat, starb ein Jahr später. Für die Kapuziner war das der Auftakt zum Ende in China. 1949 wurden sie endgültig vertrieben.
- Am Elternhaus von P. Theophil Ruderstaller in Ostermiething wird am 11. Juni, um 18.30 Uhr, eine Gedenktafel enthüllt. Gottesdienst um 19 Uhr.
Zur Sache: Chinas Katholiken wollen eine Kirche
Der Hongkonger Kardinal Joseph Zen hat die Anfang Mai ohne Zustimmung des Papstes erfolgten Bischofsweihen in China „als unverständlichen Rückschritt“ kritisiert. Dadurch würde die seit Jahren erfolgreich vorangehende Annäherung zwischen der offiziell erlaubten „Patriotischen Vereinigung“ chinesischer Katholiken und der so genannten katholischen Untergrundkirche bewusst gestört. So sieht es auch der Tiroler Jesuit Luis Gutheinz, der seit 45 Jahren auf Taiwan (Nationalchina) tätig ist und bereits 1983 erstmals nach Festlandchina reisen konnte. Die Mehrheit der 13 Millionen chinesischen Katholiken hätte sich im Alltag soweit angenähert, dass sie sich als eine Kirche sehen, die auch den Papst anerkennt. Es gebe allerdings sowohl in der Untergrundkirche als auch in der Patriotischen Vereinigung „Hardliner“, die von dieser Annäherung nichts halten. Dabei gehe es auch um Macht, meint Gutheinz. Die letzten Bischofsweihen gingen sicher auf das Konto des „Ideologen“ der „Patrioten“, des 78-jährigen Laien Liu Bai Nien, der seinen Einfluss schwinden sieht. Die Patriotische Vereinigung ist 1951 nach dem Abbruch der Beziehungen zwischen dem kommunistischen China und Rom entstanden. Man hoffte so mit Duldung der Regierung als Kirche überleben zu können. Ein Teil der Katholiken blieb „romtreu“ und ging in den Untergrund. Sie wurden vom Regime hart verfolgt. In den vergangenen 25 Jahren hat es eine informelle Annäherung zwischen dem Vatikan und den „Patrioten“ gegeben. Rund 80 illegal geweihte Bischöfe haben sich mit Rom versöhnt und wurden vom Papst anerkannt. Die offizielle Wiedervereinigung spießt sich vor allem daran, dass China das Bischofsernennungsrecht des Papstes als Einmischung in innere Angelegenheiten nicht anerkennen will. Für die Hardliner der „Patrioten“ geht es um ihre Macht.