BRIEF_KASTEN
„Noch einmal!“ In der Schule habe ich diese Wortkombination gar nicht gern gehört. Die zwei Wörter kamen einem vernichtenden Urteil gleich. Dass die Hausübung nicht schön genug geschrieben, die Bastelei den Anforderungen nicht entsprechend gelungen war. Also: „Noch einmal!“ Das war ein Müssen. Mit Freude war es nicht verbunden.
„Noch einmal das schöne Spiel!“ Da haben dieselben zwei Worte eine ganz andere, eine lustvolle Bedeutung. Man möchte gar nicht aufhören. So oft als nur möglich möchte man es erleben, eben, „... weil es uns so gut gefiel“. Keine Spur von Müssen. Jetzt ist es ein Können und Dürfen.
Jahr um Jahr geht dahin. Ein Mensch wird älter – und das Gewicht auf der Wortwendung liegt auf dem „Einmal“. Es wird zur Sehnsucht alter Menschen, zum Hoffnungswort: Noch einmal dies oder jenes erleben dürfen! Noch einmal diesen besonderen Ort aufsuchen. Noch einmal diesen bestimmten Menschen sehen. Da spürt ein Mensch, dass sich die Erlebnisse nicht ins Beliebige wiederholen lassen. Und man spürt: Es ist vielleicht schon ein letztes Mal. 2026. Noch einmal ein neues Jahr also. Niemand kann ahnen, ob die Betonung auf dem Noch oder auf dem Einmal liegt – ob es ein weiteres im Lebenslauf oder das letzte ist.
Wie schön wäre es, wenn man das schaffte: Das Leben anzunehmen und sich an ihm zu freuen, und mit Neugier zu erwarten, was kommt. Wie viel und wie oft? Das ist nicht das entscheidende Maß des Lebens. Es liegt in seiner Einmaligkeit – an jedem Tag, in jedem Jahr.
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