KOMMENTAR_
In selbstloser Liebe war er für seine Familie da – oder hat er sich seiner Aufgabe gewidmet. In Nachrufen bekommt man es so zu hören. Aber: Kann denn Liebe selbstlos sein? Ein großes Missverständnis verbirgt sich darin. Denn Liebe ist eher, dass einer sein Selbst – sich – ganz in die Waagschale wirft.
Vielleicht meint man ja mit einem selbstlos liebenden Menschen eher einen, der nicht stets auf eigenen Vorteil oder Gewinn aus ist. Jemand also, der bereit ist, viel zugunsten anderer einzubringen: Zeit, Mühe, auch Geld. Einer, der von sich auch absehen kann. Einen, der Ärger für andere in Kauf nimmt, der sich stören lässt zugunsten eines anderen Menschen. Gelöst vom Blick auf das Eigene lebt dieser Mensch. Selbstvergessen vielleicht, aber keineswegs selbstlos. Es ist, wie wenn sich jemand in einer Begeisterung, in überschäumender Freude, auch in einem Schmerz, selbst vergisst – weil er ganz dabei ist.
Selbstloser Liebe würde der Kern dessen, was Liebe ermöglicht, fehlen: das Selbst.
Menschen, die man gemeinhin der „selbstlosen Liebe“ bezichtigt, werden es selbst vermutlich ganz anders empfinden: Gefunden, nicht verloren habe ich mich im Absehen von mir. Voll wurde mein Leben dadurch, nicht leer. Ich habe mich nicht geopfert. Ich wurde erfüllt. Selbstvoll ist die Liebe, nicht selbstlos.
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