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„Der Schnee verzaubert mich schon“, sagt Pfarrer Christian Mayr, greift zu seinem Handy und zeigt Aufnahmen, die er in den letzten Tagen gemacht hat: einen tief verschneiten Wald, einen Berg von Schnee, der fast bis ans Dach der Kirche reicht, und in der Sonne funkelnde Schneekristalle. Seit 2002 hat Mayr keinen Schnee mehr gesehen. Er ist zwar jährlich von seiner Pfarre in Brasilien auf Urlaub nach Hause gekommen, aber schon lange nicht mehr im Winter. Darum ist er von der weißen Pracht fasziniert, die ihn in seinen Pfarren Schönau im Mühlkreis, Pierbach und Kaltenberg umgibt.
Nach 23 Jahren hat er seinen Missionseinsatz in der vom Stift Kremsmünster gegründeten Diözese Barreiras unterbrochen und die Vertretung von Dechant Martin Truttenberger übernommen, der ein Jahr auf Sabbatzeit ist. Ob Pfarrer Mayr als Missionar nur pausiert oder ganz in die Diözese Linz zurückkehrt, wird er im Laufe des Jahres entscheiden. Auch wenn die Kälte gewöhnungsbedürftig ist: Er hat sich mit Freude an die neue Aufgabe gemacht. Seit Allerheiligen ist er im Mühlviertel und in einer anderen pastoralen Welt. Es liege ihm fern, die Unterschiede zwischen Brasilien und Oberösterreich zu bewerten, betont er, aber graviernd seien sie schon: „Brasilien ist eine jugendliche Gesellschaft, und das spiegelt sich auch in der Kirche wider, besonders beim Gottesdienst.“ In Europa werden 300 Jahre alte Kirchenlieder gesungen, in Brasilien ist der Musikstil im Gottesdienst nicht viel anders, als man ihn täglich im Radio hört. Da es keine Orgel gibt, werden die Messen musikalisch von einer Band mit Keybord, Gitarre und Trommel gestaltet. Er ist fest überzeugt, dass die unterschiedliche Lebendigkeit in der Liturgie auch mit dem Klima zu tun hat.
Unabhängig von dem Unterschied in der Musik fühlt sich Mayr in seinen neuen Pfarren sehr wohl: „Die Wertschätzung, die hier dem Pfarrer entgegengebracht wird, ist sehr schön. Im Advent habe ich das besonders gespürt.“ Auffallend findet der austrobrasilianische Priester die starke Individualisierung, die in Österreich herrscht. Würde in Brasilien beim monatlichen Tauftermin der Pfarre eine Familie allein ankommen, wäre sie traurig. „Hier ist das anders. Da gilt die Einzeltaufe als Normalfall.“ Die Brasilianer/innen feiern gerne gemeinsam, und so werden manchmal bei einer einzigen Feier bis zu 25 Kinder getauft. Bei Hochzeiten ist das genauso: „Da muss man schon aufpassen, dass beim Unterschreiben kein Durcheinander zustande kommt,“ meint Christian Mayr schmunzelnd.
Beim Zukunftsprozess „Kirche weit denken“, der aktuell für Gesprächsstoff sorgt, kann er wenig mitreden. Da war er zu lange weg, und die Situation in den beiden Ländern sei nicht nur unterschiedlich, sondern vielmehr konträr, betont er. Im Vergleich zu Österreich steigt die Anzahl der Priester in Brasilien. Als Mayr 1995 in die Diözese Barreiras kam, zählte sie 15 Priester, fast alle Ausländer. Heute sind 25 Priester tätig, er ist der einzige Ausländer und der zweitälteste Pfarrer. Die 25 Priester Barreiras sind für 400.000 Gläubige zuständig, in der Diözese Linz etwa 600 Priester für rund 900.000
So gibt es in Österreich, auf die Anzahl der Katholiken bezogen, noch immer um ein Vielfaches mehr Priester als in Brasilien. Pfarrer Mayr möchte sich jeder Bewertung enthalten. Wichtig ist aus seiner Sicht, dass sich die Kirche jedes Landes ihren Herausforderungen stellt. Eine Wertung möchte er aber doch treffen: „Die öffentliche Verwaltung in Österreich ist bewundernswert. Dass die Schneeräumung so gut funktioniert, ist einfach toll. Das würde in Brasilien Probleme machen.“
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