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Zum Lied: „In deinem Namen wollen wir …“ Was hat Sie damals zu diesem lied inspiriert?
Werner Puntigam: Bereits als Volksschulkind war ich in meiner südoststeirischen Heimat begeisterter Jungscharbub, in den Sommerferien immer mit auf Jungscharlager, bis 14 jedes Jahr auch immer als Sternsinger unterwegs.
Nur Ministrant wollte ich nie sein - das war mir zu viel "Bühne". Später führte ich selbst Jungschargruppen und war freilich auch regelmäßig als Betreuer bei den Sommerlagern mit dabei. In der Zeit begannen drei Freunde und ich mit unserer Band, die wir bereits als 12/13-jährige auf einem Jungscharlager gründeten, ergänzt mit vier Sängerinnen rhythmische Messen zu gestalten. Zuerst zu besonderen kirchlichen Anlässen in der eigenen Pfarre, und im Laufe der Zeit immer öfter in anderen Pfarren des Dekanats, manchmal sogar in weiter entfernten Orten der ganzen Steiermark. Meine Musikinstrumente, für deren Spiel ich in der Musikschule und im BORG ausgebildet wurde, waren Posaune und Klavier, und mit ca.16 begann ich mir selber das Begleiten auf der Gitarre beizubringen, damit ich bei den Jungscharstunden und -lagern einfach selbst die Lieder, die wir mit den Kindern sangen, begleiten konnte. Zur Übung sang ich zuhause mit jedem neu erlernten Akkord sämtliche Lieder, deren Gitarregriffe ich schon drauf hatte. Je umfangreicher die Sammlung wurde, speziell als dann noch kompliziertere Moll-Akkorde mit schwierigeren Griffen hinzukamen, desto weniger Songmaterial gab es, in denen auch diese Akkorde vorkamen. So tüftelte ich mit der Zeit selbst an gut klingenden Akkordfolgen herum, zu denen ich dann Melodien erfand, und als letzten Schritt diese mit Texten versah. Beim ersten so entstandenen Lied - 'Neu bist du (Wenn du noch staunen kannst)' - entstand der Text noch in Anlehnung an ein Gedicht von Phil Bosman. Bei 'In deinem Namen' kam dann auch der Text zur Gänze von mir.
Wie wurde das Lied unter die Menschen gebracht?
Puntigam: Mit 17 nahm ich an an einem Jugendkurs in Rocca di Papa, nahe der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo in Rom teil. In der Herberge dort war neben unserer steirischen Gruppe auch eine Jugendgruppe aus OÖ untergebracht, die damals wohl Fotokopien meines Liedes 'Neu bist du' nach Linz mitnahm. Dort landeten sie u.a. beim damaligen Diözesan-Jungscharseelsorger Rudi Wolfsberger, der in seiner Pfarre Christkönig einen Kinder- und Jugendchor leitete, und dort mit diesem auch regelmäßig öffentliche Konzerte veranstaltete, von denen es dann auch Audiomitschnitte auf Musikcassette gab, die in alle Richtungen an Freunde und Bekannte verschickt wurden, um damit auch neues Liedgut vorzustellen.
'Neu bist du' sang er mit seinen Sänger*innen mit großer Begeisterung. Als ich irgendwann davon erfuhr, schickte ich ihm auch das inzwischen entstandene 'In deinem Namen', das auf diese Weise schließlich ohne weiteres Zutun (und ohne Internet!) über die vielen Jahre zum großen "Hit" wurde. Mittlerweile ist es im gesamten deutschen Sprachraum in so ziemlich allen Songbooks mit neuen religiösen Liedern zu finden und wird in Österreich, Deutschland und der Schweiz vor allem bei Hochzeiten und Taufen, aber oft auch bei im Rundfunk übertragenen Messen gesungen.
Was löst das Lied heute bei Ihnen aus?
Puntigam: Im Laufe der letzten Jahrzehnte, in denen ich seit meinem Studium an der hiesigen Kunstuni in Linz lebe, gab und gibt es von Zeit zu Zeit überraschende und gleichzeitig witzig-nette Momente, in denen mich meine "kirchenmusikalische Jugendzeit" einholt. Beispielsweise kommt es immer wieder vor, dass Leute aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis, die mich eigentlich nur von meinen inzwischen ziemlich "schrägen", unkonventionellen und experimentellen Musikprojekten und meinen zahlreichen internationalen und interkulturellen künstlerischen Aktivitäten her kennen, erzählen, dass bei einer Hochzeit, Taufe oder Messe ein Lied mit dem Titel 'In deinem Namen' gesungen wurde, wo bei den Noten "Musik & Text: Werner Puntigam" vermerkt war. Ausgehend davon, ihre Infragestellung bestätigt zu bekommen, fragen sie dann quasi nur pro forma nach: "Das bist aber nicht du - oder?"
Das Lied beschäftigt mich in letzter Zeit wieder vermehrt in kreativer
Weise: Während des ersten Lockdowns habe ich eine englische Textversion verfasst, die irgendwann auch veröffentlicht werden soll. Und vor einigen Wochen habe ich erstmals eine Instrumentalversion davon im Rahmen der 725-Jahr-Feier meiner südoststeirischen Heimatstadt Bad Radkersburg quasi im Miniblaskapellen-Format Posaune, Tuba und große Trommel in einer hiphop-mäßigen Version performt, die ich demnächst eventuell auch noch im Tonstudio einspielen werde. Gleichzeitig habe ich vor ein paar Tagen erfahren, dass das Jugendorchester Ansfelden das Lied
- instrumentiert als vierstimmiger Satz - im Rahmen von Messgestaltungen aufführt. Eine vierstimmige Chorversion wurde vor einigen Jahren bereits in Deutschland erstellt.
Inwiefern war die kirchliche Prägung für ihr Künstler-sein förderlich (oder hinderlich)?
Puntigam: Meine kreativen Talente im musikalischen und visuellen Bereich wurden sowohl in der Jungschar als auch später in den Jugendgruppen sehr gefördert. Bei meinen aktuellen zeitgenössischen musikalischen und interdisziplinären Projekten lasse ich mich sehr gerne nicht nur von den architektonischen Gegebenheiten von Kirchenräumen unterschiedlicher Größe inspirieren, sondern insbesondere durch die oft einzigartige Akustik.
Mein diesbezüglich absoluter Favorit ist die Rudigierhalle im Linzer Mariendom, die ich dankenswerterweise bereits für mehrere unkonventionelle Konzert- und Performanceprojekte als Aufführungsort nutzen durfte.
Zum akutellen Konzert: Improvisation ist Teil ihres Programms. Was erwartet die Besucher:innen dieses Konzerts?
Puntigam: 'PIPES & VIBES - a tribute to Anton Bruckner' habe ich als ein auf Improvisation in variierenden Konstellationen fokussiertes global-musikalisches Projekt konzipiert und multimedial mit von mir kreierten Tanzvideos erweitert. Für diese produzierte ich auch Soundtracks mit abstrahierten Zitaten aus Bruckners Werken, eingespielt im Tonstudio rein akustisch ausschließlich auf Posaune und Muschelhorn und danach digital editiert. Das melodische Crossover aller Klangfarben des Orgelregisterspektrums und Anklängen von World Music, Afro-Soul und Jazz, ergänzt mit den großflächigen Videoprojektionen als Interludes zwischen den Improvisationen der Live-Musiker:innen sowie die maßgeschneiderte Adaption für die Pfarrkirche St. Severin verspricht ein exklusives Konzerterlebnis für Aug' und Ohr.
Was verbinden Sie selbst mit Anton Bruckner? In diesem Jahr sind viele Facetten des Komponisten beleuchtet worden: was war für Sie neu, überraschend?
Puntigam: In der Fokussierung auf das künstlerische Tun und Schaffen und diesem auch im Alltagsleben absoluten Vorrang zu geben scheinen wir uns ziemlich ähnlich zu sein. Und die die Liebe zur Improvisation, wenn auch in sehr unterschiedlicher stilistischer Ausformung natürlich, haben wir gemein. Beim Einspielen der auf kurzen Brucknerzitaten basierenden Soundtracks für die Tanzvideos wollte ich ursprünglich viel abstraktere, atonale Miniaturen schaffen, war dann beim gemeinsamen Anhören aller im Overdub-Verfahren einzeln aufgenommenen Posaunenstimmen von den wunderbaren Brucknerharmonien tief berührt, und habe diese beim digitalen Editieren der sieben Soundtracks ganz bewusst klar erkennbar gelassen, weil ich diese Schönheit und Strahlkraft seiner Harmonien in diesem Projekt nicht missen wollte.
Konzert-Tipp: Linz-St. Severin, Pipes & Vibes, 16. 11., 19 Uhr.
Info zu den Musiker:innen und Initiator Werner Puntigam:
Die Mitwirkenden des Projekts stammen von vier Kontinenten: die in Soweto geborene südafrikanische Sängerin ZU. betreibt neben ihrer Solo-Karriere u.a. ihr Band-Projekt 'Zuko Collective' und teilte auch mit Hugh Masekela die Bühne. Die in Wien lebende Erhu-Spielerin CHIAO-HUA CHANG aus Taiwan ist in Mitteleuropa in zahlreichen Ensembles von traditioneller Musik über Jazz und World Music bis zu Zeitgenössicher Tonkunst als Solistin involviert (z.B. beim Berliner 'Orchester der Kulturen'). Der oberösterreichische Musiker und Dirigent KLAUS OBERLEITNER ist ein Allrounder an den Tasten sowohl im klassischen Fach von Kammermusik bis Orchester und Chor als auch als Jazzpianist und permanenter Organist der ehemaligen Stiftskirche in Garsten. Die in Nizza lebende venezolanische Tänzerin INÉS PÉREZ-WILKE unterrichtet und forscht an der Université Côte d’Azur Performing Arts und ist in diversen internationalen Bühnen- und Workshop-Projekten zwischen Contemporary Dance und interdisziplinärer Improvisation aktiv.
WERNER PUNTIGAM ist ein umtriebiger Initiator unkonventioneller Projekte abseits des Mainstreams mit breitgefächerten künstlerischen Aktivitäten und Kooperationen in Europa, Afrika, Asien und Nordamerika. 2013 wurde er mit dem 'Großen OÖ. Landeskulturpreis für Kunst im Interkulturellen Dialog' ausgezeichnet.
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