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Was kann Kunst? Und: Warum braucht Gesellschaft, warum braucht Kirche Kunst?
Prof. Monika Leisch-Kiesl: Ich würde diese Frage gerne umdrehen. Nicht zuletzt die Situation von Home-Office und Abstandregeln hat gezeigt, wie sehr Menschen Kunst und Kultur vermissen. Wir hören auf vital zu sein, wenn wir auf das angeblich Lebensnotwendige reduziert werden. Deshalb war es für mich auch eine besondere Herausforderung, und auch ein Reiz, die letzte Ausstellung inmitten von unterschiedlichen Lockdowns zu entwickeln. Einerseits hilft mir die Kunst, die Menschen – in kleinen Gruppen – wieder an die Uni zu locken; andererseits überlegen wir ständig neue Formate, wie wir die Kunst zu den Menschen bringen!
Vor 20 Jahren haben Sie die Ausstellungsreihe „Im Vorbeigehen“ ins Leben gerufen. Was war damals Ihre Intention?
Leisch-Kiesl: Ich wollte junge und gute Kunst zeigen! Und diese auf lebendige Weise mit der Architektur des Hauses sowie mit den Menschen – den Studierenden, den Lehrenden, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – ins Gespräch bringen.
Wie hat sich diese Reihe im Lauf der Jahre verändert? Was hat Sie überrascht?
Leisch-Kiesl: Sie hat sich eigentlich gar nicht verändert, im Gegenteil: Es entstand so etwas wie Nachfrage nach der Kunst. Geändert hat sich natürlich die Kunst: Man kann an dieser Reihe 20 Jahre zeitgenössische Kunstgeschichte ablesen. Dass die Idee „Im Vorbeigehen“ so lange getragen hat, hat mich selbst am meisten überrascht.
Welche Künstler/innen haben Sie eingeladen – und warum?
Leisch-Kiesl: Wir haben darauf geachtet, einen guten Querschnitt zu zeigen: Künstlerinnen und Künstler aus dem Linzer Umfeld neben internationalen Positionen: Lorenz Estermann, Reinhold Rebhandl, Hubert Lobnig, Sophie Danzer, Esin Turan waren u. a. zu Gast. Angefangen von Malerei über Skulptur, Textilkunst und Zeichnung in unterschiedlichen Facetten, bis hin zu den Neuen Medien, haben wir ein breites Spektrum aufgefächert. Die Qualität musste stimmen; und die Künstlerinnen und Künstler mussten bereit sein, sich auf die ungewöhnliche Ausstellungssituation einzulassen.
Welche Rückmeldungen gab es? Was ist gelungen und was ist vielleicht nicht aufgegangen?
Leisch-Kiesl: Jedes Projekt hat das Haus verändert hinterlassen! – Wir haben die Ausstellungen immer wieder auch in die Lehre integriert; dadurch konnte eine intensivere Auseinandersetzung mit den künstlerischen Positionen erfolgen, als dies im klassischen Galerien- und Museumsbetrieb gemeinhin möglich ist. Besonders freut mich, dass auch Absolventinnen und Absolventen immer wieder zu den Kunstgesprächen gekommen sind.
Ist eine Art Bewusstseinswandel gelungen in dem Sinne, dass Kunst besser, anders, neu wahrgenommen wird?
Leisch-Kiesl: Ich würde meinen, sie ist an der KU zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Es war auch toll zu beobachten, wie sich die Haustechniker der jedes Mal neuen Herausforderung stellten. Eine Universität verfügt nicht über die Infrastruktur eines Museums und doch haben sie mit ihrem Know-how vieles ermöglicht.
Zur aktuellen Ausstellung: von Erinnerungskultur bis zur Corona-Krise spannt die Künstlerin einen Bogen. Sie ist Aktivistin, Designerin und arbeitet mit Handstickerei. Was ist ihr wichtig?
Leisch-Kiesl: Ich habe Monika Drozynska im November 2020 kennengelernt. Ich habe anfänglich vieles nicht verstanden, weil sie stark mit Sprache arbeitet, und die ist nun einmal Polnisch. Aber die Qualität ihrer Arbeiten hat mich überzeugt. Und zwar zunächst die „Hochkunst“, wenn man so will. Also sehr anspruchsvolle Arbeiten, in denen sie gegen bestehende Machtstrukturen anstickt; und dabei die Rolle der rechtsnationalen Politik (nicht nur) in Polen ebenso thematisiert wie die Machenschaften der EU, die Verstrickungen der polnischen Kirche in die Politik ebenso wie die Einschränkung der Rechte und Möglichkeiten von Frauen weltweit. Als Künstlerin muss sie keine Lösungen anbieten, aber sie kann zeigen, wie komplex und verheddert das Leben auf unserem Planeten ist. Was ich an ihren Arbeiten besonders schätze, ist, dass sie diese großen Themen oft mit einem Augenzwinkern verbindet und mitunter auch mit einem Quäntchen Humor deutlich macht, dass sich jedermann und jedefrau an der eigenen Nase nehmen muss. Eine zweite Stärke dieser Künstlerin liegt in der Weise, wie sie Menschen in ihr künstlerisches Schaffen involviert. Sie leitet in Krakau eine Stickschule „for Ladies and Gentlemen“, in der sie nicht nur kunsthandwerkliche Fertigkeiten vermittelt, sondern auch zum Austausch über gesellschaftlich relevante Themen motiviert.
Die Künstlerin ist auch gesellschaftspolitisch aktiv. Wird man das in und an der KU erleben?
Leisch-Kiesl: Mit dem Projekt „DWA / FÜNF“ – eine Anspielung auf den derzeit allüberall geforderten Mindestabstand – geht sie in den öffentlichen Raum. Auch auf den Fahnenmasten der KU hängen derzeit zwei DWA-Flaggen; und wer an die Uni kommt, für den/die liegen Sticker mit demselben Motiv als „Take away“ bereit – als jene Weise, in der viele Anbieter derzeit versuchen, uns ein wenig Gutes zu tun.
Gespräch: 20.4., 12 Uhr, online, Info dazu: www.ku-linz.at/kunstwissenschaft/dwa
Info: Die Teilnahme ist online via Zoom (unter nachstehendem Link) oder per Live-Video auf Facebook möglich.
Kunstgespräch mit Monika Drożyńska - Im Vorbeigehen II/19 Uhrzeit: 20. April 2021, 12:00 Uhr
Zoom-Meeting beitreten https://zoom.us/j/96972417129
Meeting-ID: 969 7241 7129 Kenncode: KunstW@rk1
Bildtext oben: Kunst im öffentlichen Raum: Auch das ist eine der Stärken der Künstlerin Monika Drozynska. Hier wird ihre Arbeit „DWA“, die auch in Linz zu sehen sein wird, präsentiert. Drozynska zeigt Textil- und Stickkunst, die gesellschaftlich relevante Themen auf Stoff bannt.
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