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Fragen nach dem Wie und Warum des Lebens verhandelt Hochmair auch auf der Bühne. Zum Beispiel als „Jedermann“ – mit Leidenschaft und Kraft.
Was kann Kunst, hier der Film „Die Wannsee-Konferenz“, bewegen, was einer wissenschaftlichen Dokumentation vielleicht nicht gelingt?
Philipp Hochmair: Eine Dokumentation besticht immer durch Tatsachen. Aber in unserem Spielfilm „Die Wannsee-Konferenz“ wird ein Gefühl dafür geschaffen, dass sich das jetzt ereignet. Menschen, die wir kennen, könnten das jetzt erfinden: nicht ob, sondern wie sollen 11 Millionen Juden vernichtet werden – und die Zuschauer sind Zeugen dieser Entscheidung. Der Film ist ganz gegen unsere Sehgewohnheiten gestaltet: Er spielt in einem Raum, es gibt keine Musik, keine Ablenkung. Er zeigt einen heutigen Ton zu einem historischen Thema.
Was möchten Sie beim Publikum erreichen? Wie wichtig ist das Publikum für Ihre Arbeit?
Hochmair: Das Publikum ist natürlich wichtig. Ein Film wie „Die Wannsee-Konferenz“ ist sehr zeitaufwendig. Für mich ist das ein Lebensabschnitt, in dem viel Herzblut steckt. Ich möchte, dass ein Dialog mit dem Publikum stattfindet. Ich will ein Echo, einen Austausch. Und umgekehrt geht es mir genauso, wenn ich sozusagen der Konsument bin: wenn ich z. B. ein Restaurant besuche, wenn ich Architektur oder Landschaft betrachte. Ich mag es, wenn man an der Hand genommen und eingeführt wird.
Schiller, Goethe oder Hugo von Hofmannsthal: Sie haben erwähnt, dass es Ihnen darum geht, einen Text in die Gegenwart zu bringen. Die Geschichte vom reichen Mann, der sich am Ende fragt, wofür habe ich gelebt? Was sagt uns Jedermann heute?
Hochmair: Man hat sicher ein Klischee im Kopf, wie Jedermann auszusehen hat. Das Spannende ist, einen anderen Blick zuzulassen. Ich wähle Texte aus, die mit mir zu tun haben. Ich frage danach, was sie für mich für einen Wahrheitsgehalt haben, welche Energie in ihnen steckt. Da geht es nicht um einen Bildungskanon, sondern um pure Aufladung, Lust, Zündkraft. Meine Großmutter hat immer wieder aus der „Glocke“ von Schiller zitiert. Ich habe mich als Kind gefragt, was redet die da? Diese Zitate sind wie ein Credo. Sie geben Hilfestellung im Alltag, in schwierigen Situationen, dann, wenn die Worte fehlen. Viele dieser Zitate kennen wir nur halb, etwa: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, dass sich das Herz zum Herzen findet“. Der zweite Teil ist vielleicht noch wichtiger, doch er wird eigentlich nicht mitzitiert.
Ihr Konzert „Jedermann Reloaded Symphonic“ findet am 9. Juli in Linz statt. Was erwartet die Besucher/innen bei Klassik am Dom?
Hochmair: Der Jedermann am Domplatz mit meiner Band „Die Elektrohand Gottes“, mit Dirigentin Elisabeth Fuchs und ihrem Orchester wird ein Experiment der Superlative. Wir werden gemeinsam eine Reise mit Jedermann machen und alle zur Verfügung stehenden Kräfte bündeln. Großes Kino!
Sie haben Ihre Großmutter erwähnt: Zu Oberösterreich haben Sie durch Ihre Großeltern einen besonderen Bezug?
Hochmair: Ich habe als Kind viel Zeit bei meinen Großeltern in Haag am Hausruck verbracht. Meine „Seelenheimat“ ist Oberösterreich! Die Zeit hier hat mich sehr geprägt. Damals habe ich davon geträumt, Bauer zu werden, zeitlich und physisch geht sich das aber zurzeit leider nicht aus.
Wir haben Krieg in Europa. Was bedeutet der Krieg in der Ukraine für Sie als Künstler und als Mensch? Wie gehen Sie damit um?
Hochmair: Es ist so unfassbar traurig und schrecklich, was da passiert. Es geht jetzt nur um Frieden. Der Krieg muss so schnell wie möglich beendet werden. Wir können nicht müde werden, zu spenden und zu Spenden aufzurufen!
Einer, der sich immer stark für Frieden, Menschenrechte und Integration eingesetzt hat, war Willi Resetarits. Der vielseitige Musiker ist am 24. April überraschend verstorben. Was können Künstler bewirken in und für die Gesellschaft?
Hochmair: Ich bewundere den Ostbahn Kurti (Willi Resetarits) dafür, dass er so tatkräftig war. – Kunst kann den Blick öffnen, eine neue Sichweise ermöglichen.
Ich möchte Lust auf das Leben machen und humanistische Grundwerte verteidigen! Ob ich das als Jedermann tue oder als blinder Kommissar, der trotz seiner Einschränkung versucht, sehr heikle Fälle zu lösen, oder durch die Abbildung des Massenmörders Heydrich. Die Botschaft bleibt dieselbe. «
Klassik am Dom, 9. Juli, Jedermann Reloaded Symphonic, 20 Uhr mit Philipp Hochmair & Elisabeth Fuchs. Infos und ermäßigte Karten: www.kirchenzeitung.at/vorteilskarte. Mehr dazu siehe auch Seite 28.
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