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Man denkt an jene Menschen, die auf der Flucht verstorben sind. Der Künstler Arye Wachsmuth hat diesen Ort gestaltet. Am Fr., 6. Mai um 15 Uhr wurde der Gedenkort am Linzer Stadtfriedhof St. Martin eröffnet.
Sie haben beim Wettbewerb für die künstlerische Gestaltung mit ihrem Entwurf die Jury überzeugt. Was war Ihnen bei der künstlerischen Gestaltung wichtig?
Arye Wachsmuth: Es ging darum, eine bestimmte Form und Sprache, eine symbolisch-zeichenhafte Ebene zu finden, damit es einen möglichst persönlichen Zugang geben kann. Es geht um das Zusammenspiel von Geschichte im Allgemeinen und persönlicher Geschichte, von Vergangenheit und Gegenwart.
Die zentrale Form des Gedenkortes stellt eine abstrakte Träne dar. Was war die Idee dahinter?
Wachsmuth: Tränen und ihre bildliche Darstellung besitzen eine Universalität, die sowohl religiös als auch säkular betrachtet werden kann. Jede Träne ist biologisch anders zusammengesetzt, eine Träne der Trauer unterscheidet sich von einer Träne der Freude, des Schmerzes.
Von Afrika, Syrien bis Europa: Angehörige und Freunde können die Namen der Verstorbenen in Form von Objekten an der Wand verewigen – in allen Sprachen der Welt?
Wachsmuth: Namen spielen in fast allen Religionen eine wichtige Rolle. Auf der persönlichen Ebene ist es wichtig, die Namen von Menschen, die gestorben sind, zu nennen. Ich möchte das auch in den vielen Sprachen aufzeigen.
Tausende Menschen flüchten täglich vor Hunger, Krieg, Terror – viele sterben. Diesen Gedenkort verstehen Sie als Aufforderung, hinzuschauen und zu handeln. Inwiefern?
Wachsmuth: Ursachen der Flucht können jeden treffen, zu jeder Zeit. Es geht auch darum, viele zu involvieren, für diesen Ort da zu sein, um Erinnern und Mitverantwortung. Ich zitiere dort zudem Susan Sontag: „Mitgefühl ist eine instabile Gefühlsregung. Es muss in Handeln umgesetzt werden, sonst verdorrt es.“– Dieser Ort ist für alle Religionen offen, für Menschen mit und ohne Konfession. Er ist gedacht für die persönliche Trauer und für Gedenkfeiern, die an diesem Platz stattfinden können.
„Wohin kann ich mit meiner Trauer?“ – Diese Frage stellten sich Angehörige und Freund/innen von Menschen, die auf der Flucht gestorben sind. Kein Friedhof, kein Mahnmal, kein Platz war für sie und die Trauernden vorgesehen. Diese Erfahrung machte u.a. Seelsorgerin Franziska Mair von der Caritas. Sie suchte Verbündete für ihr Anliegen, einen Ort für Trauernde zu schaffen.
Das Sterben auf der Flucht ist oft ein stilles Sterben, abseits der Weltöffentlichkeit. Oft werden Menschen auf der Flucht, Rettungskräfte und jene, die die Flucht nicht überleben, kriminalisiert. Als Zeichen der Aufmerksamkeit und des Respekts hat sich eine Projektgruppe gebildet, die ein bleibendes Zeichen für auf der Flucht verstorbene Menschen setzen will.
In Kooperation mit dem Land Oberösterreich, der Stadt Linz, Traun und Leonding, der Islamischen Religionsgemeinde, der evangelischen Kirche A.B. sowie dem Stadtfriedhof St. Martin, der Linz AG – Bestattung/Friedhöfe und unter der Projektleitung der Diözese Linz konnte der „Gedenkort Flucht“ verwirklicht werden. Ein Künstlerwettbewerb wurde organisiert, der Künstler Arye Wachsmuth gewann mit der Idee der „Wall of names“ (Wand der Namen). Der neue Ort am Stadtfriedhof St. Martin ist für alle Religionen offen. Namen von Menschen, die auf der Flucht verstorben sind, können zum Beispiel in Form von Namensschildern angebracht werden. Details dazu gibt es bei der Friedhofsverwaltung vor Ort.
Eröffnung am 6. Mai mit einer multireligiösen Feier
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