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„Wer heute von Heimat spricht, macht sich dem Zeitgeist verdächtig“, schreibt die Schriftstellerin Thea Dorn in einem Essay in der „Neuen Zürcher Zeitung“. Das kann ganz sicher nicht für das kleine, aber feine Festival „Der neue Heimatfilm“ gelten, das in Freistadt seit 1988 immer Ende August an fünf Festivaltagen rund 60 internationale und nationale Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme – darunter zahlreiche Österreich-Premieren – anbietet, die sich dem komplexen Thema „Heimat“ aus unterschiedlichen Perspektiven annähern.
Identität, Migration, Probleme mit dem strukturellen Wandel im ländlichen Bereich: Diese Kernthemen haben sich über die Jahre herauskristallisiert. Auch heuer fokussieren viele Filme in den zwei internationalen Wettbewerbsprogrammen (Spielfilm und Dokumentarfilm) diese Aspekte. Die geografische Bandbreite der Filme ermöglicht eine Weltreise, die man in Kabul beginnen könnte. Im französischen Animationsfilm „Die Schwalben von Kabul“ von Zabou Breitman und Eléa Gobbé-Mévellec landet die bildschöne Zunaira Ende der 1990er-Jahre im Kabul der Taliban im Gefängnis, wo sie sich in einen Wärter verliebt. Weiter könnte es nach Südafrika gehen, wo in Etienne Kallos „Die Stropers“ der Außenseiter Janno in einer maskulin dominierten weißen Agrargesellschaft lebt. Als seine Mutter den Straßenjungen Pieter aufnimmt, entwickelt sich eine Rivalität. Ein Höhepunkt des Festivals ist sicher „Donbass“ von Sergei Loznitsa, der den Kampf der ukrainischen Regierungstruppen gegen prorussische Separatisten im Donezbecken zeigt.
Auch Italien ist heuer wieder prominent im Programm vertreten. Herausragend ist Alberto Fasulos „Menocchio“. Er erzählt darin die historisch verbürgte Geschichte eines alten, hartnäckigen Müllers aus einem abgelegenen Dorf in den Bergen des Friauls, der zu rebellieren beschließt. Wegen Ketzerei gesucht, hört er nicht auf die Bitten von Freunden und Familie, und anstatt zu fliehen, stellt er sich dem Gericht der katholischen Obrigkeit.
Auch der österreichische Film ist hochkarätig vertreten. Neben der bei „Crossing Europe“ gezeigten Doku „Atomlos durch die Macht“ von Markus Kaiser-Mühlecker, die die österreichische Antiatombewegung in ihrem Engagement porträtiert, muss besonders auf den neuen Film von Andreas Horvath hingewiesen werden. „Lillian“hatte heuer in Cannes seine Premiere und nimmt als Ausgangspunkt die wahre Geschichte einer in New York ansässigen Russin, die eines Tages loszieht, um zu Fuß in ihre Heimat zurückzugehen. Bis heute gilt sie als verschollen.
Auch „Nevrland“, das Spielfilmdebüt des Linzers Gregor Schmidinger, wird gezeigt. In beeindruckenden Bildern verfolgt er das Schicksal des 17-jährigen Jakob, der mit Großvater und Vater in einer kleinen Wohnung in Wien lebt. Um etwas Geld für das geplante Studium zu verdienen, arbeitet er als Aushilfskraft in jenem Schlachthof, in dem auch sein Vater tätig ist. Doch eine Angststörung macht Jakob das Leben zunehmend schwer.
Eine Werkschau ist der aus Innsbruck stammenden Castingdirektorin Rita Waszilovics gewidmet. Ergänzt und abgerundet wird das filmische Programm durch allabendliche Konzerte bei freiem Eintritt im Kulturzentrum Salzhof in direkter Nachbarschaft des Kinos.
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